Im Grunde ist aber klar, was gemeint ist. Zwischen 40 und 44 stieg die Flugzeugproduktion um etwa 400%. Weit mehr, als auf dem Gebiete der Arbeitskräfte- und Materialbeschaffung geleistet werden konnte.
Das ist der Hinweis auf die Kapitalproduktivität (Ineffizienzen bei Rohstoffen/Material im Vergleich 41/44 müßte man im Übrigen abseits vom Typenwirrwarr erstmal belegen). Mir geht es allerdings um die Ursachen der deutsch-britischen (meinetwegen auch deutsch-deutschen 1941/1944) Unterschiede in der
Arbeitsproduktivität und ggf. in der Kapitalproduktivität (-> Produktionsanlagen, iW Werkzeugmaschinen).
Es hätte sinnigerweise eigentlich Arbeitskräfte heißen müssen. Was ist damit gemeint: Fakt ist, dass es einen Arbeitskräftemangel gab und zwar einen Mangel an gelernten Arbeitskräften. Die Notwendigkeit, auf diese Gruppe zurückgreifen zu müssen, war ein strukturelles (deutsches) Problem.
Genau hier setzt die Ursachenanalyse an. Die Frage, wieso diese
Facharbeiter-"Empfindlichkeit" der deutschen Produktionsweise bestand [gegenüber Taylorscher Sicht- und Produktionsweise], läßt sich nur anhand der Anlagengüterstruktur der Produktion klären. Damit sind wir bei Ausgangspunkt angelangt: die Auswirkungen der spezifisch deutschen Struktur der Werkzeugmaschinen-Industrie.
- nie gelungene Standardisierung/Typenbereinigungen erst ab 1939, dann verstärkt ab 1942
- spät einsetzende Normierung (-> ab 1936), insbesondere der einzusetzenden Werkzeugsätze, Vorschub-Geschwindigkeiten, Fräs-Geschwindigkeiten (Drehzahl-Normierungen) etc.
- unglaublicher Mischmasch der Werkzeugmaschinen in den eigentlichen Produktionsbetrieben/fehlende Automatisierung/spät in den 30ern einsetzende Fließproduktion.
- Werkzeugmaschinen, die auf Umrüstung/Ausrüstung mit möglichst flexiblen Werkzeugen/Vorrichtungen/Lehren setzten: entsprechende Nachteile bei Rüstzeiten sowie Notwendigkeit des Facharbeiter-Einsatzes in den Schichten - damit Engpässe beim Mehrschichtbetrieb schon zu Friedenszeiten. Verstärkung des Facharbeiter-Mangels durch die Einberufungen zur Wehrmacht. Verstärkungen des Facharbeiter-Mangels in bestimmten Branchen durch Aufnahme von Kleinserien angeblich "kriegswichtiger" Produktion, die Facharbeiter an die Betriebe banden und Abzüge verhinderten.
- massive Engpässe in der Werkezugmaschinen-Industrie nach Greifen der Normierung/Typisierung 1939/42. Das Ausdünnen der Typen, hätte es ab 1942 erfolgreich sein sollen, hätte zusätzliche gewaltige Kapazitäten/Investitionen erfordert, die nicht verfügbar waren bzw. durch die WZM-Industrie überhaupt nicht geliefert werden konnten.
Insbesondere die fehlende Standardisierung/Typisierung/Normung erforderte Facharbeitereinsatz.
Überakkumulation meint hier, dass das Verhältnis Arbeitskraft/Maschine negativ war.
Die Verhältniskennzahl ist mir in dem Zusammenhang Überakkumulation unklar. Zumal hier/zuvor darauf abgestellt wurde:
Werkzeugmaschinen waren im gesamten deutschen Machtbereich "überakkumuliert", das Durchschnittsalter - gerade auch in der Luftrüstung - sehr gering.
Was nun: Kennzahl Altersstruktur oder Arbeitseinsatz/Maschine?
Vertikale Integration ist hier das Stichwort. Je größer die (zusammenhängenden) Betriebsflächen, desto höher die Produktivität.
Welche Produktivität ist angesprochen?
Ich sehe das für die deutschen Fertigungsbedingungen weder hinsichtlich Maschinenproduktivität noch für die Arbeitsproduktivität als relevanten Effekt, ...
... mit einer kleinen Einschränkung (aber hier kaum Engpaßfrage, wenn man auf die Werkzeugmaschinen abstellt): Die Frage großer zusammenhängender Betriebsflächen betrifft weniger Rüstzeiten (die fallen bei knappen WZM an, ob räumlich in Fließproduktion zusammenhängend oder nicht), als vielmehr die Frage von Lagerpuffer und Transportzeiten/-kapazitäten. Erhöhte Rüstzeiten oder Organisationsmängel in der Lager- und Transportstrecken bei räumlich getrennten Produktionsabschnitten (die übrigens auch innerhalb zusammenhängender Betriebe auftreten könnten) haben natürlich gewisse Auswirkungen auf die Arbeits- und Kapitalproduktivität. Das ist aber hier mE nicht das entscheidende Problem, sondern tritt hinter dem quantitativen und qualitativen Ausrüstungsmangel betr. WZM zurück.
[Selbstverständlich sind dadurch auch die Kosten bzw. Rentabilitätsfragen aus Betriebssicht betroffen. Aber die Kosten der Produktion haben im Krieg nicht wirklich interessiert.]
Die Analyse der deutschen "Eigenarten" in der Flugzeugproduktionsweise führt sicher ein Stück weiter. Ich glaube allerdings, dass sich die Abläufe weiter erhellen, wenn man den Vergleich zur britischen Produktion zieht. Diese war zB nicht beengt durch die Frage der WZM-Beschaffungen (zB USA, Kanada), sondern konnte allein unter den Output-Vorgaben aufgebaut werden (resp. konnten die Investitionen durchgeführt werden). Deutscherseits saß man hier in einem zu engen Hemd, dessen Nähte gewissermaßen in den 1920er und 1930er Jahren gelegt wurden und die unter Kriegsbedingungen nicht mehr korrigierbar waren. Man könnte auch sagen: das deutsche Konzept der Rüstungssteuerung über Rohstoff- (Kohle/Erz/Stahl) und Arbeitskräftelenkung ging komplett am eigentlichen Engpaß der Rüstungsindustrie vorbei: der Frage der Werkzeugmaschinen- und Werkzeugsätze-Ausstattung der Industrie.
Dazu noch ein ergänzender Aspekt, der die Umstellung in der Produktion mE entscheidend hemmte und ca. 5 Jahre Produktivitätsnachteil schaffte, bzw. die Neuorientierung der WZM-Industrie konterkarierte:
nach 1933 war keineswegs die
Rationalisierung eine staatliche Zielsetzung, sie war sogar wegen der Arbeitslosigkeit und der NS-Zielsetzung ihrer schnellstmöglichen Beseitigung "kontraproduktiv". Die Bedeutung der durch die Weltwirtschaftskrise stark geschüttelten WZM-Industrie wurde zu spät erkannt.
Die bisherige Forschung zu diesem Aspekt ist viel zu dünn gesät und bislang völlig unzureichend.