Das katalanische Referendum 2017, Gründe und historisierende Narrative

Dass Spanien ein massives Problem mit der Aufarbeitung der Franco-Diktatur hat, ist unbestritten und nicht zu leugnen.
Angehörige kämpfen seit Jahrzehnten um die Aufhebung von Unrechtsurteilen, um die Öffnung von Massengräbern, um die Ehre ihrer Eltern, Großeltern und anderer Verwandten.
Das sind allerdings zum Teil recht komplizierte Vorgänge, die wie schon einmal angsprochen auch mit der Art und Weise korrespondieren, wie dieses Regime abgewickelt wurde.

Ich weise da noch einmal dauf hin, dass das kein krasser Bruch, sondern ein fließender Übergang war.

Beim Thema Unrechtsurteile käme die Frage hinzu Unrechtsurtile vor dem Hintergrund welcher Rechtsgrundlage? Der der 2. Republik? Der des Franco-Regimes selbst? Der des postfranquistischen Spanien? Der der international annerkannten Grundrechte (die allerdings das Regime seinerzeit nicht anerkannte?).
Das wird mitunter nicht ganz einfach zu entwirren sein, da die entsprechenden Sachverhalten zu klären.

Auch das Öffnen von Massengräbern dürfte insofern ein diffiziles Problem sein, dass man zum Teil sicherlich überhaupt nicht weiß, wer darin liegt, während allerdings natürlich all Angehörigen von dort Begrabenen prinzipell ein recht haben müssten, sich dazu zu äußern ob sie eine Öffnung des Grabes und eine Umbeettung wünschen oder nicht.
Es kann ja durchaus plausible Gründe dafür geben, eine solche Öffnung des Grabes nicht zu wollen. Aus religiösen Gründen, weil man das mit der Totenruhe nicht für vereinbar hält, oder sei es, weil man den Massengräbern selbst einen historischen Wert als Mahnmale für die Taten des Franco-Regimes und die Greuel des Bürgerkriegs betrachtet und aus diesem Grunde die Dinge so belassen möchte.

Das sind Schwierigkeiten, die ausgehandelt werden müssen und das ist diffizil.

Man stelle sich mal vor es gäbe heute in Deutschland Petitionen an die französische Regiergierung, die im 1. Weltkrieg bei Verdun gefallenen deutschen Soldaten, deren Überresste im Beinhaus von Douaumont aufgebart liegen, nach Deutschland zu überfüren um sie hier bei den jeweiligen Familien zu bestatten.
Nicht auszudenken, was für ein Molloch an Sachfragen und Problmen sich daraus ergeben würde.


Das diese Dinge nicht befriedigend gelöst sind, ist durchaus kein Nachweis dafür (jedenfalls nicht en Gros), dass es kein Interesse daran gäbe das aufzuarbeiten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Man stelle sich mal vor es gäbe heute in Deutschland Petitionen an die französische Regiergierung, die im 1. Weltkrieg bei Verdun gefallenen deutschen Soldaten, deren Überresste im Beinhaus von Douaumont aufgebart liegen, nach Deutschland zu überfüren um sie hier bei den jeweiligen Familien zu bestatten.
Nicht auszudenken, was für Molloch an Sachfragen und Problmen sich daraus ergeben würde.

Bitte nicht wieder so einen Beitrag aus dem Elfenbeinturm.
Informier dich bitte wenigstens ein bisschen über die Situation, ehe du hier postest und völlig absurde Vergleiche ziehst.

In Spanien gibt es diese Probleme sehr konkret, dort ist niemand (um den es hier geht) in Beinhäusern aufgebart, es geht auch nicht darum, jemanden nach Hause zu holen.
Es geht um immer noch verschollene Opfer, um anonym verscharrte, um am Wegesrand eingebuddelte, deren Angehörige verzweifelt nach Informationen über den Verbleib suchen, um ehrenamtliche, die mit viel Einsatz versuchen, wenigstens ein wenig Licht in das Dunkel zu bringen, um die mangelnde Unterstützung des Staates bei der Aufklärung und bei der Umsetzung.

Lies wenigstens mal den oben zitierten Tagesschauartikel, ehe du so etwas schreibst.
Franco-Diktatur: Spanien gräbt seine Geschichte aus
oder
45 Jahre nach Francos Tod - Wie Spanien um die Aufarbeitung seiner Verbrechen ringt
 
In Spanien gibt es diese Probleme sehr konkret
Naja, dass war es im deutsch-französischen Verhältnis zwischen den Weltkriegen durchaus auch (es ist nur einfach, weil die Zeit über diese Dinge hinweg gegangen ist nicht mehr aktuell).
Lies dich gerne mal in die Auseinandersetzungen um die Kriegsgräberproblmatik nach 1918 ein.

Insofern reine Einwände aus dem Elfenbeinturm sind das nicht.
 
Auch das Öffnen von Massengräbern dürfte insofern ein diffiziles Problem sein, dass man zum Teil sicherlich überhaupt nicht weiß, wer darin liegt, während allerdings natürlich all Angehörigen von dort Begrabenen prinzipell ein recht haben müssten, sich dazu zu äußern ob sie eine Öffnung des Grabes und eine Umbeettung wünschen oder nicht.
Es kann ja durchaus plausible Gründe dafür geben, eine solche Öffnung des Grabes nicht zu wollen. Aus religiösen Gründen, weil man das mit der Totenruhe nicht für vereinbar hält, oder sei es, weil man den Massengräbern selbst einen historischen Wert als Mahnmale für die Taten des Franco-Regimes und die Greuel des Bürgerkriegs betrachtet und aus diesem Grunde die Dinge so belassen möchte.

Das sind Schwierigkeiten, die ausgehandelt werden müssen und das ist diffizil.

Man stelle sich mal vor es gäbe heute in Deutschland Petitionen an die französische Regiergierung, die im 1. Weltkrieg bei Verdun gefallenen deutschen Soldaten, deren Überresste im Beinhaus von Douaumont aufgebart liegen, nach Deutschland zu überfüren um sie hier bei den jeweiligen Familien zu bestatten.
Nicht auszudenken, was für ein Molloch an Sachfragen und Problmen sich daraus ergeben würde.

Bei den Massengräbern geht es meist nicht um Kriegsgefallene, sondern um die Opfer von Massenerschießungen, wo sich beide Bürgerkriegsseiten schuldig gemacht haben. Ein Zeitgenosse hat das mal so beschrieben, dass der Tod mit seiner Sense durch Spanien gehe, wie ein Bauer durch das Weizenfeld bei der Ernte: Es bleibt kaum ein Halm stehen.

De facto war es an der dynamischen Front zeitweise so: Ein Dorf wurde von Faschisten erobert, dann zeigte der örtliche Terrateniente oder Priester den Faschisten die Häuser der Anarchisten etc., die wurden auf dem nächsten Acker erschossen. Die republikanische Miliz (die trotzkistische POUM oder die anarchistische CNT) eroberten das Dorf wieder: Der Priester, der Terrateniente und einige andere wurden an der Kirchenwand erschossen. Nun eroberten die Faschisten das Dorf wieder und erschossen alle, welche die POUM oder die CNT überlebt hatten als mutmaßliche Linke oder Sympathisanten der Republik.

Von vielen Massengräbern aus den Anfangstagen des Krieges wissen wir de facto, dass sie nur von den Faschisten stammen können, darin also Republikaner und Linke liegen.

In Katalonien, vor allem aber im Baskenland konnte es auch mal passieren, dass die Priester von den Faschisten erschossen wurden, weil sie auf der baskischen oder katalanischen Seite standen oder dessen verdächtigt wurden.
In den meisten spanischen Kathedralen findet man bis heute Gedenktafeln für die ermordeten Priester und Ordensleute, die von Republikanern oder Trotzkisten/Anarchisten ermordet wurden (für die von Faschisten ermordeten Priester und Ordensleute wohl eher weniger, oder diese Morde wurden der republikanischen Seite zugeschoben - Achtung, begründete Mutmaßung, Arbeitshypothese, sofern entsprechende Gedenktafeln nicht erst nach 1975 angebracht wurden), auf diesen Gedenktafeln werden die Täter dann meist als Rojos, Bolshevistas oder so gekennzeichnet. Mancher Priester hat mit dem Jagdgewehr vom Kirchturm aus hüben wie drüben an dem Krieg teilgenommen.

Als der damalige Generalstaatsanwalt Baltazar Garzón vor einigen Jahren die Massengräber öffnen ließ, hat die Organisation Manos Limpias ('saubere Hände'; dieselbe rechtsradikale Organisation, die letzte Woche versucht hat, Sánchez zum Rücktritt zu bewegen, indem sie seine Frau fälschlich der Korruption bezichtigte) ihn mit Korruptionsvorwürfen überschüttet, später hat die PP unter der Regierung Rajoy daran mitgewirkt. Die Aufklärung der Verbrechen des Bürgerkrieges wird also v.a. von Rechtsradikalen und Konservativen massiv behindert und, da man das auf dem direkten Weg nicht kann, indem man die Leute mit regelrechten Schmierenkampagnen mundtot macht.
 
....später hat die PP unter der Regierung Rajoy daran mitgewirkt. Die Aufklärung der Verbrechen des Bürgerkrieges wird also v.a. von Rechtsradikalen und Konservativen massiv behindert und, da man das auf dem direkten Weg nicht kann, indem man die Leute mit regelrechten Schmierenkampagnen mundtot macht.

Sehr richtig, was du da schreibst.
Aber bestätigst du damit nicht meine obige These, dass Spanien ein massives Problem in dieser Richtung hat, wenn sich also sogar die Regierungspartei an solchen Kampagnen beteiligt?
 
Bei den Massengräbern geht es meist nicht um Kriegsgefallene, sondern um die Opfer von Massenerschießungen, wo sich beide Bürgerkriegsseiten schuldig gemacht haben.
Es ging mir jetzt nicht um Schuldiskussionen, sondern im Allgemeinen auch um die Problematik von Massengräber und Umbettungen etc.
Die dürfte relativ identisch sein, unabhängig von den genauen Umständen unter denen die Leute zu Tode gekommen sind.

Wenn zig Angehörige von Leuten, die da wahrscheinlich liegen bei dem Umgang mit dem Grab gerne ein Wort mitreden möchten (was ja nur zu verständlich ist), wird dass zwangsläufig zu verschidenen Auffassungen des Umgangs führen.

Eine Familie möchte das Grab öffnen und eigene Angehörige umbetten lassen, andere möchten das vielleicht nicht.
Wer hat nun mehr recht/die besseren Argumente?

Mir ging es einfach darum, dass wenn dem Wünsch von Familien von in Massengräbern Begrabenen diese Gräber zu öffnen eben nicht entsprochen wird, dass nicht unbedingt etwas mit einer Politik, zu tun haben muss, die von der Vergangenheit nichts wissen möchte, sondern möglicherweise auch einfach daran liegen mag, dass andere Leute, die ein genau so berechtigtes Interesse daran haben, das anders sehen.
 
Sehr richtig, was du da schreibst.
Aber bestätigst du damit nicht meine obige These, dass Spanien ein massives Problem in dieser Richtung hat, wenn sich also sogar die Regierungspartei an solchen Kampagnen beteiligt?
Naja, dem habe ich ja nie widersprochen, im Ggt., die Entwicklung, welche die PP in den letzten 20 Jahren genommen hat, empfinde ich als hochproblematisch. Allerdings muss man eben auch festhalten, dass im Frühjahr 2017 eine rechtextreme Partei in Spanien noch als zu vernachlässigendes Problem galt, die Falange (also der Teil der Partei, der den Namen behalten hat) hat seit Francos Tod keine Bedeutung mehr, die neue rechte Partei in Spanien, VOX, lebt quasi nicht so sehr von Problemen in der Migrationspolitik, obwohl Spanien seit vielen Jahrzehnten eines der Länder mit dem höchsten Immigrationsdruck in der EU ist, sondern vom Katalonienkonflikt. In den katalanischen Wahlen 2017 von 0 auf fast 8 %. In Altkastilien teilweise besorgniserrehende Zahlen in Kommunalwahlen (die wohl auch als Protestwahlen gelesen werden müssen). Die von mir erwähnte Isabel Ayuso (PP, wiedergewählte Präsidentin der Comunidad de Madrid) schürt auch auch die Angst vor einer neuen Vorbürgerkriegszeit ("Kirchen werden brennen" - allerdings macht sie sich damit auch zum Affen). Nur sollte man über diesen Kamm nicht Spanien scheren und nicht einmal die konservativen Wähler. Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Was natürlich festzuhalten ist, ist dass die katholische Kirche in Spanien wesentlich konservativer ist, als in Dtld. gegenüber manchem spanischen Bischof ist Woelki fast ein Progressiver.
Das alles ist wahr, ist aber nur ein Teil des Gesamtbildes. Und das ist eben das, was ich auch am Narrativ der Separatisten kritisiere: Dass sie das außerkatalanische Spanien insgesamt als Problem darstellen und nicht etwa die Problemverursacher identifizieren und dass sie die innerkatalanischen Problem nicht sehen. Katalonien war das letzte Bollwerk der republikanischen Regierung, aber es gab eben auch viele Katalanen, die auf Seiten Francos standen, sei es, weil sie von den anarchistischen und trotzkistischen Milizen, welche nach dem Putsch im republikanisch gebliebenen Teil de facto in weiten Teilen die Macht übernahmen verfolgt wurden, sei es wiel sie eh mit den Putschisten sympathisierten. Manche gingen ins Exil, manche über das Exil auf die Seite der Aufständischen (also der Faschisten). Es ist ungefähr so, wie mit den Österreichern, die Österreich als erstes internationales Opfer der Nazis sehen und die tatkräftige Hilfe österreichischer Faschisten am "Anschluss" wegreden wollen (oder mit den Deutschen, die sagen H. sei ja eigentlich Österreicher gewesen). Katalonien hat die ganze Härte des Francoregimes gespürt, v.a. in den Anfangsjahren, aber letztlich bis hin zur allmählichen Liberalisierung nach 1956 und bis etwa 1970/5. Aber dass Katalanen auch dem Franquismus anhingen (und zwar vo Anfang bis Ende), dass es auch nach wie vor Rechte in Katalonien gibt (Wahl 2017 in Katalonien der VOX 7,xx %), das ignorieren sie geflissentlich. "Die bösen saßen und sitzen in Kastilien etc., wir sind die Opfer." Und das stimmt eben in dieser Ausschließlichkeit nicht.
 
Es ging mir [...] im Allgemeinen auch um die Problematik von Massengräber und Umbettungen etc.
Die dürfte relativ identisch sein, unabhängig von den genauen Umständen unter denen die Leute zu Tode gekommen sind.

Wenn zig Angehörige von Leuten, die da wahrscheinlich liegen bei dem Umgang mit dem Grab gerne ein Wort mitreden möchten (was ja nur zu verständlich ist), wird dass zwangsläufig zu verschiedenen Auffassungen des Umgangs führen.

Eine Familie möchte das Grab öffnen und eigene Angehörige umbetten lassen, andere möchten das vielleicht nicht.
Wer hat nun mehr recht/die besseren Argumente?

Wie ich schon sagte: Baltazar Garzón war Generalstaatsanwalt, das waren also juristische Untersuchungen. Diese wurde politisch motiviert mundtot gemacht. Die Angehörigen der meist republikanischen Opfer wollen i.d.R. die Aufklärung und auch Umbettung ihrer Toten auf reguläre Friedhöfe.
 
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