Rachemorde an Nazis im Nachkriegsdeutschland?

Wie sehr oft, @Scorpio, schreibst du viel, machst ein Rundumschlag – um zu vernebeln, was ich dir vorwarf?

Um ein letztes Mal diesen Fall zu beleuchten:

Ich feiere "die Aufarbeitung des NS in der DDR" nicht, sondern sage: Sie war besser als in der Bundesrepublik. Das hast du nach Widerspruch zuletzt selbst zugegeben – Zitat:

Da stellt sich natürlich die Frage, warum haben die Nazis es in der Bundesrepublik hierzulande so tolldreist treiben können und in der DDR nicht? Die Antwort kann nur sein: In der DDR hat man das nicht zugelassen, weil deren Aufarbeitung der NS-Zeit besser war als in der Bundesrepublik. Dafür gebührt der DDR dank, was aber du in Abrede gestellt hast.

Ich gebe gar nichts zu, ganz sicher jedenfalls nicht, dass die DDR-Aufarbeitung besser gewesen ist?

Worin soll denn die DDR besser gewesen sein? Dass sie statt Nazis Stalinisten in Schlüsselpositionen gehievt hat? Man muss ja fairerweise auch zugeben, dass die Demokratie und ein Rechtsstaat, der seinen Bürgern Presse-, Rede-Meinungs- und Versammlungsfreiheit garantiert, eben auch (ehemaligen) Nazis ganz andere Möglichkeiten der politischen Betätigung bietet, als ein Staat, de de Facto eine Einparteien-Diktatur etabliert hat, der gar keine anderen, abweichenden öffentlichen Meinungsbekundungen zuließ.

Man mag es für einen schweren Schlag halten, wenn so etwas wie die Deutsche Soldatenzeitung (oder auch die BILD) erscheinen dürfen, aber in einer Demokratie dürfen eben auch Verächter der Demokratie sich politisch betätigen, und das ist natürlich auch zu berücksichtigen, darauf hatte @Shini schon verwiesen.

Im Übrigen ist es ja nun auch so, dass im Laufe der Zeit, ab den 1970er Jahren die Zahl von Nazis abnahm, dass dann Ende der 1970er es auch ein No-Go geworden war und Leute, wenn NS-Vergangenheit ruchbar wurde- sie spätestens seit Ende der 1970er dann auch ihren Hut nehmen mussten. 1978 war es unmöglich, dass Hans Filbinger blieb..



Wenn ja doch die NS-Aufarbeitung der DDR so vorbildlich war, warum hat sie dann die Studien der Soziologin Loni Niederländer unter Verschluss gehalten? Wie um Gotteswillen konnte man auf die Idee kommen, alle Nazis, alte und neue in zwei oder drei Knästen zusammenzusperren damit die sich kennen und schätzen lernten, "das braune Band der Sympathie" webten wie Bernd Wagner Polizei Oberstleutnant schrieb,

Wie konnten die den späteren Aussteiger Ingo Hasselbach zusammensperren mit Heinz Barth dem Mörder von Oradour oder Heinrich Schmidt dem Gestapochef von Dresden, damit die sich nach Herzenslust ideologisieren, austauschen und neue Netzwerke bilden konnten?

Die ganze Aufarbeitung der DDR bestand darin, dass sie jegliche Verantwortung geleugnet , reflexartig sich selbst "Antifaschismus" attestiert hat, und alles, was nicht zum eigenen Geschichts-Narrativ passte, geflissentlich ausgeblendet, verleugnet und versucht totzuschweigen.

Erst kurz vor ihrem Ende entschloss sich die DDR, das Problem Rechtsradikalismus, Neo-Nazis überhaupt auch nur zur Kenntnis zu nehmen. Als dann Loni Niederländers Studie der offiziellen Linie widersprach wurde sie totgeschwiegen.

Ich bin der Ansicht, dass die Aufarbeitung des NS insgesamt, in der Bundesrepublik wesentlich besser gelungen ist, als in der DDR. Nicht weil die Politik weiser war, weil die Erinnerungskultur besser war, oder bessere Ausstellungen, Gedenkstätten eingerichtet wurden, sondern weil die Bundesrepublik trotz all ihrer Mängel, eben ein demokratischer Staat war, das eine Pluralität an Meinungen da war, dass es zu bestimmten Themen öffentliche Diskussionen gab, dass das Angebot an Medien größer war, es gab ein viel breiteres Angebot an Info, um sich zu informieren,. Es gab vor allem die Freiheit zu reisen, Menschen kennenzulernen, Menschen zu treffen, die eine andere Perspektive haben. Es konnte viel offener über Antisemitismus gesprochen werden, und es bekamen Juden ein Gesicht. Man konnte sich viel besser ein Bild machen, was NS eigentlich bedeutet, es gab ganz andere Möglichkeiten, zu recherchieren, was Familienangehörige im Krieg gemacht hatten. Ich denke, dass Reisefreiheit und die Möglichkeit, Menschen aus Frankreich, GB, den USA, aus Israel aber auch aus Polen kennenzulernen viel ausgemacht hat.




Schließlich ist auch zu fragen, wenn die DDR-Aufarbeitung so viel besser war, warum hat dann Rechtsextremismus vor allem in den neuen Bundesländern solchen Zuwachs zu verzeichnen?
 
Es wäre mir ganz Recht, wenn ihr eure Beiträge, die ihr in diesem Thread schreiben wollt, auf euren Rechnern schreibt und speichert, damit ich nachher die ganze Thälmanndiskussion abtrennen kann. Weil mit Rachemorden an Nazis hat die ganze Thälmanndiskussion (und auch der Großteil der Diskussion davor) nichts zu tun. Aber zumindest die Thälmanndiskussion würde ich nachher gerne abspalten. So zwischen 19:00 und 20:00 Uhr. Und je weniger Beiträge derweil auflaufen, desto weniger Arbeit habe ich damit. ;)
 
Bevor wir ganz vom Thema abschweifen ("Rachemorde an Nazis in Deutschland"):
Rachemorde im Deutschland gab es, wenn überhaupt, nur ganz vereinzelt.

Etwas ganz anderes, und völlig Unentschuldbares, sind die barbarischen Morde der Résistance in Frankreich, oder eher die feigen Taten nach dem Abzug der Deutschen im Sommer 1944.

Dies ist so tief eingebrannt in das kollektive Gedächtnis der Franzosen, dass Règlement de comptes heute immer noch Chiffre für die barbarische und auch sexualisierte Gewalt überwiegend kommunistischer Franzosen ist.
 
Zu dem Kapitel Rachemorde im Nachkriegsdeutschland: Die politischen Morde in den Lagern der SBZ sind ja auch als Racheakte an Nazis (und überwiegend Nicht-Nazis) zu betrachten.
 
Der Anteil der Nazis in der SED war kleiner als in den Parteien in der Bundesrepublik.


es kann nicht schaden, @Dion an die oben zitierte Frage zu erinnern ;)

Ich greife die Erinnerung nochmal auf: @Dion, hast Du Zahlen, die Deine Behauptung belegen?
 
Hier die Zahlen, die zumindest in 2 Bereichen des Staates (im Justiz- und (indirekt) im Außenministerium) belegen, dass die Belastung der bundesdeutschen Behörden durch die Altnazis wesentlich höher war als in der DDR.

Zitat aus einer Sendung des Deutschlandfunks aus dem Jahr 2016 (Fettschreibung durch mich):

„Wenn man sich auf die Gesamtzeit bezieht, dann waren gut die Hälfte der Mitarbeiter des Hauses Mitglieder der NSDAP oder in anderen NS-Organisationen, aber das ist eine Durchschnittszahl. Wir haben das Phänomen, dass die Belastung zu Beginn der 1950er-Jahre noch vergleichsweise gering war, aber sie ist dann in den 50er-Jahren deutlich angestiegen, so dass wir am Ende der 50er-Jahre tatsächlich eine Zahl haben, die etwa drei Viertel der Mitarbeiter betrifft.“
Zeitweilig sah es so aus, als ob eine einschlägige NS-Vergangenheit sich positiv auf die Karriere im Justizapparat auswirkte. Bis 1973 waren mehr als fünfzig Prozent der Führungskräfte im BMJ ehemalige NSDAP-Mitglieder.


75 % bzw. 50 % sind wesentlich mehr als die 27 bzw. 32 Prozent in der DDR, wie ich das aus dem von dir verlinkten Artikel entnehmen konnte.

Dazu kam, dass sehr viele Nazis, die wirklich schlimme Dinge getan haben, am Ende des Krieges schauten, dass sie in die Westzonen kamen, weil sie zurecht befürchteten, dass die Russen mit ihnen kurzen Prozess machen würden, was tatsächlich vielfach auch geschah.
 
Hier die Zahlen, die zumindest in 2 Bereichen des Staates (im Justiz- und (indirekt) im Außenministerium) belegen, dass die Belastung der bundesdeutschen Behörden durch die Altnazis wesentlich höher war als in der DDR.
Die kenne ich auch, danach war aber nicht gefragt. Es geht um den Anteil der Nazis in der SED im Vergleich zum Anteil der Nazis in den Parteien in der Bundesrepublik.
 
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