Verschiedene Datierungen des Kriegsendes

Korbi

Aktives Mitglied
Ich war die letzten Wochen in Schottland unterwegs, und in Edinburgh fiel mir etwas auf (auswendig weiß ich jetzt nicht, ob das in allen Teilen Britanniens so ist): Auf allen Gedenktafeln zu WW1 heißt es "1914-1919", während da, soweit ich weiß, in Deutschland immer (oder nur meistens?) 1914-1918 steht.
Nun bin ich, was diese Epoche angeht, absoluter Laie und erinnere mich nur noch an die Daten aus dem Geschichtsunterricht, und da haben wir 1914-1918 gelernt.

Ist das wirklich etwas länderweites? Was wird als Kriegsende betrachtet, wenn man den Krieg bis 1919 gehen lässt? Wieso sehen die Briten das Ende anders als die Deutschen, und wie ist das in Frankreich und anderen Ländern?
 
Also, im engl. wiki-Beitrag steht wie im deutschen (11.11.)1918.
Was ich aber sonst so im Internet lese, heißt es;:
However, it is not unusual to find the dates 1914-1919 on First World War memorials. The 1919 date refers to the year when the Treaty of Versailles was signed.
 
Der offizielle Kriegszustand wird halt i.d.R. mit einem 'Friedensvertrag' (Vers. Vertrag 1919) beendet, die unmittelbaren militärischen Kriegshandlungen zuvor mit einem Waffenstillstand (11.11.1918). Die Briten hielten zudem, wie auch andere teilnehmende Staaten beispielsweise bestimmte Sanktion oder kriegswirtschaftliche Bestimmungen auch nach dem Waffenstillstand (Nov. 1918) usw. aufrecht.

Im damaligen Dt. Reich entwickelte sich schon spätestens mit dem Waffenstillstand im November 1918 eine ganz neue Dynamik, KWII. hatte abgedankt, die Republik war ausgerufen worden, Friedrich Ebert erhielt das Amt des Reichskanzlers, im Dezember wurden in Preussen alle Titel und Orden aufgehoben.
Und bereits im Januar 1919 wurden die reichsweiten Wahlen - mit Frauen-Stimmrecht - zur verfassungsgebenden Nationalversammlungen durchgeführt.

In GB war vor und nach dem Waffenstillstand der Regierungschef immer noch Lloyd George, in Frankreich blieben sowohl Ministerpräsident und Staatpräsident über den Waffenstillstand und den VV in ihren Ämtern.
 
Ergänzend zu @andreassolar

Neben den unterschiedlichen Daten von Waffenstillstand und Friedenschluss kommt noch hinzu, dass der 1. Weltkrieg in Osteuropa mit den Pariser Vorortverträgen nicht endete, sondern dort nahtlos in den russischen Bürgerkrieg und verschiedene andere kleinere Fortsetzungskonflikte überging oder schon übergegangen war.

Truppen der Entente waren 1918 in Russland gelandet (zunächst Nordrussland, später auch in der Schwarzmeerregion) um zunächst zu verhindern, dass die Deutschen im Osten vollständig den Rücken frei bekämen.
Nach dem Waffenstillstand mit Deutschland blieben die in Russland gelandeten Kräfte zunächst vorort, weil London und Paris eine Politik betrieben, die darauf hinauslief die "weißen" Generäle gegen die Bolschewiki zu unterstützen.
Dieser Konflikt wurde von den Ententemächten auf eher niedriger Flamme betrieben, man ließ sich da in keine allzu verlustreichen Abenteuer ein (dafür waren GB und Frankreich nach 4 Jahren Krieg selbst zu erschöpft), versuchte aber durch die Kontrolle bestimmter Räume und Nachschubkorridore, so wie die Überlassung von überflüssig gewordenem Kriegsmaterial den Weißen, wo es ohne größere eigene Verluste ging, zu helfen.

Als sich dann aber im Frühjahr 1919 allmählich heraus zu kristallisieren begann, dass man da etwas auf das falsche Pferd gesetzt hatte und ein schneller Sieg der Weißen nicht in Sicht war, wurde die Sache abgebrochen und die Truppen der Entente verließen Russland (oder was damals unter Russland verstanden wurde).

Neben dem anderen Datum für den Friedensschluss könnte auch der Einsatz von Truppenkontingenten im russischen Bürgerkrieg hier noch additativ zum Weltriegsgedenken hinzu gekommen und der Grund für die Nennung dieses Datums sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Gute Ergänzung...standen nicht auch im Osmanischen Reich/in der Türkey dann auch noch britische und französische Truppen bis mindestens 1919?...da war doch der Waffenstillstand Ende Oktober 1918, der Vorortvertrag von Sevres (Friedensvertrag) folgend im August 1920.
 
Gute Ergänzung...standen nicht auch im Osmanischen Reich/in der Türkey dann auch noch britische und französische Truppen bis mindestens 1919?
Wäre ich ehrlich gesagt überfagt, mit den osmanischen Verhältnissen nach dem Ersten Weltkrieg habe ich mich ehrlich gesagt nie detailliert beschäftigt.
Sicherlich werden da unterstützend (auf griechischer Seite) mindestens Seestreitkräfte der Entente mitgewirkt haben, ob auch Landtruppen und ob die analog zu Russland tatsächlich hin und wieder auch an Kampfhandlungen teilnahmen entzieht sich meiner Kenntnis.

In Syrien, Irak, Transjordanien und Palästina standen mit Sicherheit noch Ententetruppen. Wurde dort aber noch aktiv gekämpft?
 
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Gute Ergänzung...standen nicht auch im Osmanischen Reich der Türkey dann auch noch britische und französische Truppen bis mindestens 1919?...da war doch der Waffenstillstand Ende Oktober 1918, der Vorortvertrag von Sevres (Friedensvertrag) folgend im August 1920.
Über die Briten kann ich nichts Genaues sagen, aber ich weiß, dass italienische Truppen im April 1919 bei Antalya an Land gegangen sind und am 15. Mai der Hafen von Smyrna (Izmir) von griechischen Truppen besetzt wurde.
(Rogan, Eugene: Der Untergang des Osmanischen Reiches - Der Erste Weltkrieg im Nahen Osten 1914 - 1920, S.510).

Am 12. November 1918 rückten die Franzosen in Konstantinopel ein, ein Tag später die Briten, die Italiener drei Monate später.
(Borodziey, Wlozimierz, Górny, Maciej: Der vergessene Weltkrieg - Nationen 1917 - 1923, S. 425)

Zu Kampfhandlungen scheint es mit französischen Truppen in Kilikien gekommen zu sein:
Französische Truppen landeten am 17. November 1918 in Mersin und am 19. November in der Nähe von Tarsus. Die Franzosen stießen dort auf harten Widerstand der türkischen Einwohner.

Wikipedia schreibt hier:
"Am 1. November 1919, zwei Tage nach der Besatzung, ereignete sich der Sütçü-İmam-Vorfall. Sütçü İmam kam drei Frauen zu Hilfe, die von armenischen Soldaten der Besatzer belästigt und angepöbelt wurden. Sütçü İmam erschoss einen der Störenfriede und musste in den Untergrund gehen. Der Vorfall löste eine Serie von Ereignissen aus, die die türkische Mehrheit der Stadt gegen die Besatzungstruppen aufbrachte. Zwei Monate nach dem Vorfall brach in der ganzen Stadt der Aufstand los. Nach 22 Tagen sahen sich die Franzosen gezwungen, Maraş am 11. Februar 1920 zu räumen. Die armenische Gemeinde von Maraş folgte aus Angst vor Racheakten den Franzosen. Bald darauf unterstützten die Widerstandskämpfer von Maraş die umliegenden besetzten Städte."

Französische Besetzung Kilikiens

Vermutlich haben wir hier einen ziemlich nahtlosen Übergang in den Türkischen Befreiungskrieg.
 
Vermutlich haben wir hier einen ziemlich nahtlosen Übergang in den Türkischen Befreiungskrieg.

Das Eingreifen der Franzosen in Kilikien und der Italiener im Südwesten Anatoliens, ergab sich allerdings, als dem Syks-Picot-Abkommen (dass Kilikin als Interessnezone Frankreich zuschlug) und was Italien angeht, aus dem Londoner Verrtrag von 1915, zwischen Italien und den Ententemächten, der Italien in Südwest-Anatolien eine exklusive Einflusszone garantierte, für den Fall eines italienischen Kriegseintirtts.

D.h. Italienische und Französische Truppen waren nicht deswegen vor Ort um Griechische Interessen gegen das osmanische Reich durchzusetzen, oder sich in die innerosmanischen Händel betreffs Führungsansprüchen einzumischen, sondern um die kolonialen Zonen zu besetzen, die sie für sich in den internen Absprachen der Entente-Mächte abgesteckt hatten.

Großbritanien hatte sich aber, so weit mir bekannt entsprechendes in Anatolien nie zusichern lassen, sondern sich stattdessen Palästina, Transjordanien und den Iraq und Kuwait als Einflusszone abgesteckt, so dass die Briten zur Durchsetzung eigener Interessen im Gegensatz zu Frankreich und Italien kein unmittelbares imperiales Eigeninteresse hatte sich in die Auseinandersetzungen in Kleinasien hinein ziehen zu lassen.
Deswegen durchaus denkbar, dass man von britischer Seite hier eher abseits blieb und die Anderen machen ließ (zumal man in Irland und zunehmend Ägypten selbst Problme hatte).

Das man irgendwo in Schottland auf den Gedanken gekommen wäre, französischen und italienischen Expeditionsstreitkräften, die versuchten in Anatolien Einflusszonen zu sichern denkmäler gesetzt hätte, wird man, denke ich, her für abwegig halten können.
 
Das Eingreifen der Franzosen in Kilikien und der Italiener im Südwesten Anatoliens, ergab sich allerdings, als dem Syks-Picot-Abkommen (dass Kilikin als Interessnezone Frankreich zuschlug) und was Italien angeht, aus dem Londoner Verrtrag von 1915, zwischen Italien und den Ententemächten, der Italien in Südwest-Anatolien eine exklusive Einflusszone garantierte, für den Fall eines italienischen Kriegseintirtts.
Das ist mir bekannt.

D.h. Italienische und Französische Truppen waren nicht deswegen vor Ort um Griechische Interessen gegen das osmanische Reich durchzusetzen, oder sich in die innerosmanischen Händel betreffs Führungsansprüchen einzumischen, sondern um die kolonialen Zonen zu besetzen, die sie für sich in den internen Absprachen der Entente-Mächte abgesteckt hatten.
Das habe ich auch nicht behauptet. Ich bin lediglich auf die Frage eingegangen, wie lange Entente-Truppen im Osmanischen Reich standen (bzw. in Anatolien).

Großbritanien hatte sich aber, so weit mir bekannt entsprechendes in Anatolien nie zusichern lassen, sondern sich stattdessen Palästina, Transjordanien und den Iraq und Kuwait als Einflusszone abgesteckt, so dass die Briten zur Durchsetzung eigener Interessen im Gegensatz zu Frankreich und Italien kein unmittelbares imperiales Eigeninteresse hatte sich in die Auseinandersetzungen in Kleinasien hinein ziehen zu lassen.
Deswegen durchaus denkbar, dass man von britischer Seite hier eher abseits blieb und die Anderen machen ließ (zumal man in Irland und zunehmend Ägypten selbst Problme hatte).
Einen kleinen Zipfel als Einflusszone in Anatolien haben sich die Briten auch zusichern lassen:
Vertrag von Lausanne – Wikipedia

Das man irgendwo in Schottland auf den Gedanken gekommen wäre, französischen und italienischen Expeditionsstreitkräften, die versuchten in Anatolien Einflusszonen zu sichern denkmäler gesetzt hätte, wird man, denke ich, her für abwegig halten können.
Auch das habe ich nicht behauptet. Wir sind ja auch von der Eingangsfrage betreffend der Denkmäler weggekommen, auf diese habe ich mich gar nicht bezogen.;) Mir ging es dann schon eher um die Truppen und noch um die Frage, welches Jahr verschiedene Länder als Endpunkt des Ersten Weltkriegs betrachten. Für die Türkei war der Kampf ja 1918 eindeutig nicht vorbei, sondern maximal kurz unterbrochen.

Für Osteuropa gibt es ja durchaus den Ansatz den Konflikt nicht auf 1914 - 1918 einzugrenzen, sondern von 1912 (Balkankriege) bis 1923 zu betrachten. Auch das Osmanische Reich befand sich ja praktisch schon seit 1911 (Italienisch-Osmanischer Krieg, dann Balkankriege, Erster Weltkrieg, Türkischer Befreiungskrieg) bis 1923 fast durchgängig im Krieg. Zwischen den genannten Konflikten besteht ja ein direkter Zusammenhang, der 1. Balkankrieg brach aus, weil die Balkanstaaten die Schwäche des Osmanischen Reiches im Italienisch-Osmanischen Krieg erkannt haben, der 2. Balkankrieg brach aus, weil vor allem Bulgarien mit der Gebietsverteilung nicht zufrieden war und wie es auf dem Balkan dann weiterging, wissen wir alle.
 
Für Osteuropa gibt es ja durchaus den Ansatz den Konflikt nicht auf 1914 - 1918 einzugrenzen, sondern von 1912 (Balkankriege) bis 1923 zu betrachten. Auch das Osmanische Reich befand sich ja praktisch schon seit 1911 (Italienisch-Osmanischer Krieg, dann Balkankriege, Erster Weltkrieg, Türkischer Befreiungskrieg) bis 1923 fast durchgängig im Krieg. Zwischen den genannten Konflikten besteht ja ein direkter Zusammenhang, der 1. Balkankrieg brach aus, weil die Balkanstaaten die Schwäche des Osmanischen Reiches im Italienisch-Osmanischen Krieg erkannt haben, der 2. Balkankrieg brach aus, weil vor allem Bulgarien mit der Gebietsverteilung nicht zufrieden war und wie es auf dem Balkan dann weiterging, wissen wir alle.
Einen Zusammenhang gibt es da schon, allerdings keine ungebrochene Kausalität

Es gibt sicherlich Kausalitäten zwischen dem italienisch-türkischen Krieg und dem 1. Balkankrieg, aber danach eigentlich nicht mehr.

Der 2. Balkankrieg war so wenig vorgezeichnet, wie der 1. Weltkrieg selbst oder auch die Beteiligung des Osmanischen Reiches daran (natürlich musste Konstantinopel daran gelegen sein, dass möglichst ein Unentschieden oder ein Sieg der Zentralmächte dabei herum kam um nicht Russland und seinen Interessen ausgeliefert zu sein, was sicherlich eine gewisse Tendenz festlegte, aber nicht unbedingt den Eintritt in den Krieg determinierte).

Die Sache vor 1914 beginnen zu lassen, dem würde ich eine Absage erteilen, ebenso dem Anspruch das über 1921 (für mich wäre vor allem der Rigaer Frieden als Schlusspunkt maßgeblich) hinaus laufen zu lassen.
In Anatolien und Russland gehen die Konflikte zwar weiter, aber sehe keine wirkliche Rechtfertigung dafür, dass noch als "Weltkrieg" zu bezeichnen.
In Russland sind seit dem Abzug der internationalen Truppen, dem Abzug der deutschen Freikorpsverbände, der Tschechischen Legion, und dem Ausscheiden der baltischen Staaten und Polens aus diesem Konflikt im Grunde nur noch Akteure aktiv beteiligt, die irgendwie aus der Konkursmasse des Zarenreiches hervorgegangen waren.
Vor dem Rigaer Frieden, könnte man debattieren, ob die Bezeichnung "Russsischer Bürgerkrieg" für dass, was sich da von der Weichsel bis Sibirien abspielt überhaupt angemessen ist, danach würde ich das aber durchaus so sehen.

Und das im Osmanischen Reich noch läuft, ist auch kein Weltkrieg mehr, sondern es sind eben noch die Griechen, Armenier, Türken und mit sehr niedrigen Einsätzen, Italienische und Französische Truppen, die sich da aneinander abarbeiteten, aber den Charakter, dass da wenn nicht mehr die Welt, so mindestens doch große Teile Europas noch miteinander im Konflikt waren, sehe ich da eigentlich nicht mehr.

Aber wahrscheinlich ist das, wie vieles andere auch Geschmackssache.
 
Vielleicht ist doch angebracht, das Ende des I. WK mit der Unterzeichnung des VV am 28. Juni 1919 in Verbindung zu setzen.
Die Angehörigen des Dt. Heeres und der Dt. Marine, die sich als Kriegsgefangene in den Signatarstaaten aufhielten, wurden übrigens entsprechend erst nach der Unterzeichnung des VV repatriiert.

In Leonhards 'Büchse der Pandora' wird das Osmanische Reich nach dem Waffenstillstandsunterzeichnung von Moudros Ende Oktober 1918 mehrfach angesprochen, tatsächlich gab es anscheinend auch militärische Kriegshandlungen zw. britischen Truppen bzw. Marine und türkischen Einheiten, so an den Dardanellen. Genaueres wird nicht angeboten, scheint aber eher im fortgeschritten Jahr 1919 oder kurz vor Unterzeichnung des Friedensvertrages von Sevres gewesen zu sein.
 
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