Es geht mir hier um die Definition des Begriffes Ethnie und damit verbunden mit der Behauptung einer genetischen Verwandtschaft. Wie Carolus im anderen Therad gesagt hat, bin ich auch der Meinung dass
Die Gleichsetzung von DNA und Ethnie ist falsch
Da aber andererseits (u.a. auch Wiki) erklärt, dass Ethnie unter anderem auch in einer gemeinsamen Abstammung bestehen könne (wobei offenbar keine Grenze gezogen wird, wieweit in der Vergangenheit man diese gemeinsame Herkunft herleitet) so kommen eben doch gentechn. Untersuchungen ins Spiel. Wenn aber die Gene für die Definition von Ethnie völlig ohne Belang sind, dann ist konsequenterweise auch die Aussage, dass Ethnie "auch in einer gemeinsamen Abstammung bestehen könne" falsch. Wenn nun Mashenka darauf hinweist, dass der Begriff "Ethnie" heute gewissermassen als politisch korrekter Ausdruck von "Rasse" verwendet wird, so hat sie meiner Meinung nach recht. Deshalb verstehe ich auch ihren Vorschlag, anstatt von Ethnie von "Kutlurgemeinschaft", "Sprachgemeinschaft" oder, ich erweitere die Möglichkeiten, fallweise sogar von "Wertegemeinschaft" zu sprechen, weil es die Gemeinsamkeiten eine Gruppe exakter beschreibt als "Ethnie".
Wenn man Ethnie als eine Gruppe einer gemeinsamen Kultur, Abstammung, Sprache, Wirtschaftsorganisation, Geschichte, Tradition, Nationalität und Religion oder zum Mindesten als eine Gruppe mit einiger dieser Gemeinsamkeiten definiert, ist es zum Mindesten im Falle der Behauptung einer gemeinsamen Abstammung naheliegend, dass genetisch argumentiert wird - schliesslich lässt sich nur so eine gemeinsame Abstammung rekalmieren. Gemeinsame Abstammung ergibt nun mal eine "Rasse" - am Einfachsten zu verfolgen bei der Züchtung von Haustierrassen.
Nun steht es natürlich ausser Frage, dass es eine, wie Carolus es prägnant forumliert hat, "deutsche, französische, niederländische oder bayrische DNA" gäbe. Die Gen-Gemeinsamkeit innerhalb der "Rasse" des HSS ist so erdrückend, dass die übriggebliebenen Unterschiede einfach nicht ausreichen, "rassische" Differenzierungen zu machen. Die Verbreitung des HSS ist absolut global, und seine einzelnen Individuen haben welweit verschiedene Gruppen gebildet, die sich nicht durch die Gene, sondern durch ihre kutlurellen Eigenarten unterscheiden - also ethnische Eigenschaften. Die gemeinsame Abstammung muss so also konsequenterweise (ich wiederhole mich weil ich hier den gelöschten Beitrag wieder verwende) als Charakterisierungs-Merkmal einer Ethnie schon mal entfernt werden.
Die nächsten ethnischen Merkmale wie Sprache, Geschichte, Tradition, Religion etc. taugen zur Ethnien-Definiton letzendlich aber auch nur, wenn es um isoliert lebende Gruppen geht. Völker die im Austausch mit anderen leben (und da genügt es schon, Handel zu treiben), verlieren ihre ethnischen Merkmale (zum Mindesten Teile davon) - und davor haben vor allem rechte Patrioten und auch sonstigen Gegner einer offenen Gesellschaft (Popper) Angst. Wenn Mashenka meint, sie sei ihre eigene Ethnie, so verstehe ich das folgendermassen (und nehme dabei zur Verdeutlichkeit mich selbst als exemplarisches Beispiel -
)
Meine Frau ist Katholikin, ich selbst bin Atheist und gehöre demgemäss keiner Kirche oder Religion an. Also gehöre ich, in dieser Hinsicht, einer anderen Ethnie an, obwohl wir beide hinsichtlich sonstiger Kultur und Sprache teilen.
Mein mit mir befreundeter Nachbar ist Ägypter und Moslem. Er hat eine andere Muttersprache, wie meine Frau eine Religion und sogar eine, die in der Region, in der ich aufgewachsen und wo ich das Bürgerrecht besitze, keine Tradition hat und mir persönlich sogar zuwider ist. Er kann aber Goethe zitieren und kennt meiner Einschätzung nach sämtliche Werke der klassischen deutschen Literatur. Ich selbst habe ausser dem "Faust" kein einziges Werk von Goethe zu Ende gelesen. Mein Nachbar weiss also von Teilsaspekten meiner Kultur und damit von meiner "Ehtnie" viel mehr und ist auch um einiges begeisterter von ihr als ich, was sich auch in seiner persönlichen Identifikation niederschlägt.
Ein Freund von mir, früher auch noch Zechkumpan, ist türkischer Kurde, lebt schon sehr lange in der Schweiz und hat politische und gesellschaftspolitische Ansichten die mir sympathisch sind und die ich in meiner Jugend sogar geteilt und phasenweise vehement vertreten habe. Seine Herkunft, Muttersprache, kulturelle Sozialisierung hat unter völlig anderen, ethnisch bedingten Umständen stattgefunden als meine. Dennoch bilde ich mit ihm gewissermassen eine Ethnie, da unsere, nicht in jedem Belang alltgäglichen Wertvorstellungen in vielerlei Hinsicht übereinstimmen.
Ein anderer, nicht befreundeter Nachbar von mir, stammt wie ich, über alle nachvollziehbaren Generationen hinweg aus der Deutschschweiz (allerdings aus einer anderen Region), hat die gleiche Muttersprache, eine andere Religion resp. überhaupt eine und ganz andere Wertvorstellungen. Vor allem hält er sich, weitgehend unbelastet durch Kenntnisse um historische Gegebenheiten, für befähigt, eine verbindliche Definition des "richtigen" Schweizers zu liefern. Dass der Mann nicht in der Lage ist, das albanische Idiom von Valader, der rätoromanischen Dialektvariante des Untergengadins, zu unterscheiden, tut , so meint er, seiner Kompetenz zur Definition der "Schweizer Ethnie" keinen Abbruch. Obwohl ich nun seinen Anforderungen diesbezüglich nicht genüge, anerkennt er mich doch als Mitglied seiner eigenen Ethnie an, weil wir gewisse Gemeinsamkeiten wie Muttersprache und Bürgerrecht teilen.
Ein weiteres Merkmal einer Ethnie ist bekanntermassen das Zusammengehörigkeitsgefühl ihrer Mitglieder, was in der historischen Einordnung oft zu Diskussionen führt (hat sich ein Kelte, Germane oder Slawe aus als solcher gefühlt oder nicht ?). Angesichts des vorliegenden Beispiels ist es sicher verständlich, dass mein eigenes Zugehörigkeitsgefühl nicht eindeutig ist und auch gar nicht sein kann. Insofern kann ich Mashenkas Statement, "ausserethnisch" zu sein, nachvollziehen.
Die Definition von "Ethnie" ist m.E. offenbar genauso diffus und fragwürdig wie die Definition von "Rasse". Der Begriff scheint mir insofern ein unvollkommenes Hilfskonstrukt zu sein, wengistens solange man nicht bestimmen kann, welche Gemeinsamkeiten erfüllt sein müssen, damit eine Gruppe von Individuen als Ethnie bezeichnet werden kann. Letztendlich bleibt meiner Ansicht nach lediglich die Muttersprache als verbindendes Element. Und um eine solche Gemeinsamkeit zu verdeutlichen könnte man tatsächlich auch lediglich von einer "Sprachgemeinschaft" sprechen.