Nö. Keineswegs. Aber jegliche Biographie in der DDR lässt sich relativieren, betrachten und einordnen. Genau so wie wir es, gerecht oder ungerecht, mit den Biographien unserer Eltern getan haben.
Seid froh dass die DDR krachend untergegangen ist, oder eher fast staubfrei implodiert.
Ihr Untergang war unausweichlich, und dass das Wasser nass sein würde, das wussten alle.
Wir haben 2023. Und ich glaube an die Klarheit auch im Blick auf die DDR.
Die Wiedervereinigung war ja nun auch keine reine Erfolgsgeschichte. Es war ja nun nicht zu übersehen, dass sich die Deutschen in 40 Jahren der Teilung in vielem sehr fremd geworden waren.
Die alte Bonner Republik war ein Hochlohn-Land gewesen. Die Bundesrepublik gehörte zu den Staaten, in denen die höchsten Löhne gezahlt wurden.
Nach der Wende entwickelte sich die Bundesrepublik immer mehr zu einem Niedriglohn-Land.
Die alte Bundesrepublik hat durchaus profitiert von der System-Konkurrenz. Solange es die DDR gab, musste die BR zeigen, dass sie der bessere deutsche Staat war. Das gelang ihr auch meist recht mühelos. Die DDR wirkte grau, hässlich, autoritär und illiberal. Wir im Westen, in der alten Bonner Republik, wir mussten aber nicht mit den Erichs, mit dem Sudel-Ede in einem Staat leben.
Der DDR weinte zuletzt keiner mehr eine Träne nach, sie erschien ihren Bewohnern nicht mehr erhaltenswert. So finster aber die DDR auch anmuten mochte, solange es sie gab, blieb die BRD ein Hochlohn-Land. Der Sozialstaat der Bonner Republik, die Hochlohn-Zeiten in den 1960er, 70er und 80er Jahren- die waren nicht zuletzt auch auf die Systemkonkurrenz der beiden deutschen Staaten zurückzuführen.
So etwas wie Leiharbeit, Ausbeutung und mangelnder Arbeitsschutz hat 1985, als Günther Wallraff in "Ganz unten" seine Erfahrungen mit Leiharbeitsfirmen enthüllte, noch für einen Aufschrei der Empörung gesorgt. 1985 war das noch etwas, das man deutschen Arbeitern gar nicht gewagt hätte, zuzumuten.
Die Zeiten des Kalten Krieges konnte sich kein vernünftiger Mensch zurückwünschen, die DDR hat aber ihren Bewohnern zumindest ein recht hohes Maß an Lebensplanung ermöglicht. Massenarbeitslosigkeit war zumindest kaum ein gesellschaftliches Phänomen. Viele DDR-Bürger machten die Erfahrung, dass Arbeitsplätze wegfielen, dass Unternehmen schließen mussten, dass Leute in den 40ern oder 50ern sich eine ganz neue Art der Existenz aufbauen mussten. Auch dass Abschlüsse nicht anerkannt wurden, das Qualifikationen neu gemacht werden mussten, dass Lebensplanungs-Konzepte plötzlich total hinfällig wurden.
Da hat zweifellos auch der Eine oder die Andere die Erfahrung machen müssen, vor dem Nichts zu stehen, hat möglicherweise auch die Erfahrung gemacht, dass Lebensleistungen nicht anerkannt wurden, dass Mieten explodierten, dass Altvertrautes, das Jahre Planungssicherheit garantierte, zusammenbrach.