Messiaserwartung: Wie viel Konkurrenz hatte Jesus?

Mit welcher 'Schrift' kannte er sich aus? Und wie weit ging seine Kenntnis?
Mit der Schrift. Also der jüdischen Bibel in ihrer um die Zeitenwende "kanonischen" Fassung.

Hätte man ihn gefragt, hätte er wohl unwillkürlich die Zahl genannt, die in der Thorarolle der Synagoge seiner Kindheit stand, wie wir es alle in ähnlichen Fällen mit aus der Kindheit gewohnten Informationen tun. (Ja, ich setze Hebräischkenntnisse voraus: s.u. Nazareth war ja gerade nicht für seine Graeculi bekannt.)
Der deutsche anglikanische Theologe Carsten Peter Thiede, der von User Hiltibold mal in eine Diskussion eingeführt wurde, hat angenommen, dass Jesus mit seinen Brüdern und seinem Vater als tekton in Tiberias auf einer der Baustellen arbeitete, bevor er als Wanderprediger bekannt wurde und daher auch griechisch sprach. Thiede behauptete immer dann, wenn er theologisch argumentierte, dass er historisch argumentieren würde, das ist zurückzuweisen. Seine Annahme aber, dass Jesus als Bauhandwerker in Tiberias arbeitete und griechisch sprach, fand ich zumindest als Gedanken ganz interessant. Dass er Hebräisch konnte, auch wenn diese Sprache als Alltagssprache zu seiner Zeit nicht gesprochen wurde und 100 Jahre später im Bar Kokhba-Aufstand offensichtlich als Alltagssprache reaktiviert wurde, davon ist auszugehen. Außerdem wage ich die Hypothese, dass Hebräisch und Aramäisch intelligibel sind.

Wie dem auch sei, wird er den Genesistext in seinem Leben regelmäßig gehört haben, auch wenn er nur religiös interessiert war.
Der Pentateuch ist das zentrale Monument des Judentums. Wie brauchen nicht darüber zu reden, ob ein Jude die Thora kennt.
 
War nicht Tiberias auf einem Friedhof errichtet, weshalb gläubige jüdische Handwerker in Nazareth wohnten? Kenntnisse des Griechischen sind sowieso bei Niemandem im Palästina der Zeit auszuschließen. Die Frage ist eher, wie weit sie gingen.
 
Ich habe das so im Kopf, was auch nichts besagen muss. Der Friedhof und das Meiden des Ortes zumindest sind in der Wikipedia bekannt. Erst Ende des 2. Jahrhunderts sei Tiberias für rein erklärt worden.
 
War nicht Tiberias auf einem Friedhof errichtet, weshalb gläubige jüdische Handwerker in Nazareth wohnten? Kenntnisse des Griechischen sind sowieso bei Niemandem im Palästina der Zeit auszuschließen. Die Frage ist eher, wie weit sie gingen.

Ich denke, zumindest Grundkenntnisse des Griechischen wird man wohl schon voraussetzen können. Griechisch war die zweite Sprache des Imperiums und Lingua Franca in Kleinasien. Das Christentum ist nicht nur aus dem Judentum, sondern auch aus dem Hellenismus entstanden. Paulus oder Stephanos haben Jesus nicht mehr gekannt, aber schon recht früh, spielten Judenchristen eine Rolle, die nicht in Palästina aufgewachsen waren. Viele Juden sprachen als Alltagssprache nicht Aramäisch, sondern Griechisch. Viele von ihnen mochten die Tora lesen können, waren aber zum Verständnis auf die griechische Übersetzung der Septuaginta angewiesen. Eine der ersten Gemeinden war Antiochia ad Orontem, eine stark hellenisierte Stadt. Während der Pessach-Feierlichkeiten strömten jedes Jahr Zehntausende von Pilgern nach Jerusalem, und nur ein kleiner Teil davon stammte aus Palästina. In Ägypten und der Cyrenaica lebten zahlreiche Juden, und es gab natürlich auch verwandschaftliche Beziehungen zwischen Juden in Palästina und Diasporajuden. Wenn Episoden mit Begegnungen Jesu mit einem Centurio aus Kafernaum, einer Frau aus Syrophönikien und anderen Gestalten aus dem Neuen Testament historisch sind, wären zumindest rudimentäre Griechischkenntnisse als Medium der Kommunikation plausibel.

Seine größten Missionserfolge hat das Christentum außerhalb Palästinas in den hellenistisch geprägten Regionen in Kleinasien, und Griechisch, nicht Aramäisch wurde recht früh die domminierende Sprache der Eklesia.
 
Entweder wir akzeptieren das grobe Bild, wo dem nichts entgegen steht, oder wir verwerfen die Evangelien als Quelle komplett.
Es gibt einschlägige wissenschaftliche Arbeiten dazu und Deine von Dir vertretene Alternativlosigkeit zwischen den von Dir selbst erfunden-postulierten Polen reicht wohl nicht hin...;)

Wenn man Jesus jegliche Bildung in Sachen "Schrift" absprechen will, müsste man auch noch verwerfen, dass er die Synagoge besuchte

Müsste man wohl nicht. Zahlreiche Besucher der Synagogen wie der Lesungen dürften weder das Lesen noch das Schreiben (ausreichend) beherrscht haben. Noch waren für die Wirksamkeit/Glaubwürdigkeit beispielsweise von damaligen Wanderpredigern diese Kulturtechniken ausschlaggebend.

Mit der Schrift. Also der jüdischen Bibel in ihrer um die Zeitenwende "kanonischen" Fassung.
Der Tanach bestand um die Zeitenwende wohl noch nicht in (s)einer 'kanonischen' Fassung.


Die eingebrachte Stelle Lukas 10, 1f., mit der Nennung von 72(70) 'Jüngern'
a) ist die einzige in den vier Evangelien wie auch im NT, so dass man sie als isolierte Angabe aufgrund nicht vorhandener historischer Basis einstufen darf; verrät mir zumindest der Bauer-Aland, Griechisch-deutsches Wörterbuch zum Neuen Testament (1988), immer noch Referenz, die Stuttgarter Erklärungsbibel (1992) und die Neue Jerusalemer Bibel (1985) oder auch Nestle-Aland, Novum Testamentum Graece et Latine, 28., revidierte Auflage (2014/2016)
b) gilt gleichfalls für die zahlreichen Textzeugen mit genannten 70 Jüngern
c) wird vielfach und u.a. in der neuen Nova Vulgata wie in der alten Lutherbibel mit 70 Jüngern angegeben
d) die Textzeugen-Variablen zeigen deutlich, dass hier keine historisch exakt dargestellte Tatsache abgebildet wurde, sondern eine nachträgliche symbolische Zahl, eine je nach Sprache und Überlieferung differierende Formel.

Die Ausgangsfrage war, wieviel Konkurrenz Jesus hatte, und Lk 10, 1f. enthält keine ausreichend substanziellen, historisch-kritisch validen Angaben, die man etwa als Beleg für den Umfang von Jesu (Kern-)Gefolgschaft verwenden könnte.
 
Vergessen wir nicht, dass sich Jesus in der Schrift und damit auch mit ihrer Symbolik auskannte. Damit ist es nicht auszuschließen, dass er bewusst solche Zahlen benutzte.

Nochmals zur Präzisierung:
- 'die Schrift' gab es damals nicht, der Tanach war/ist eine Schriftensammlung, die Tora wiederum eine Sammlung gewisser Schriften in der Schriftensammlung des Tanach - und sie lagen nicht etwa als (gebundener) Codex vor.
- dass man etwas nicht ausschließen kann, ist auf Dauer - in der Diskussion - und ohne Kontext kein zureichender Beleg in einem historischem Forum, bilde ich mir ein...
 
Die eingebrachte Stelle Lukas 10, 1f., mit der Nennung von 72(70) 'Jüngern'
a) ist die einzige in den vier Evangelien wie auch im NT, so dass man sie als isolierte Angabe aufgrund nicht vorhandener historischer Basis einstufen darf; verrät mir zumindest der Bauer-Aland, Griechisch-deutsches Wörterbuch zum Neuen Testament (1988), immer noch Referenz, die Stuttgarter Erklärungsbibel (1992) und die Neue Jerusalemer Bibel (1985) oder auch Nestle-Aland, Novum Testamentum Graece et Latine, 28., revidierte Auflage (2014/2016)
b) gilt gleichfalls für die zahlreichen Textzeugen mit genannten 70 Jüngern
c) wird vielfach und u.a. in der neuen Nova Vulgata wie in der alten Lutherbibel mit 70 Jüngern angegeben
d) die Textzeugen-Variablen zeigen deutlich, dass hier keine historisch exakt dargestellte Tatsache abgebildet wurde, sondern eine nachträgliche symbolische Zahl, eine je nach Sprache und Überlieferung differierende Formel..

Dazu nur ergänzend Marshall, Gospel of Luke, Commentary on the Greek Text

A major problem concerns the number of missionaries.
The number ἑβδομήκοντα δύο is attested by ... and adopted by RV mg; RSV mg; NEB; JB; NIV; Synopsis; (UBS); Diglot; Lagrange, 292f.; Creed, 144; Schmid, 183f.; K. Aland (in Metzger, 151).

The alternative reading ἑβδομήκοντα is attested by ..., and adopted by RV; RSV; NEB mg; JB mg. The same variants occur in 10:17, where p and 33 also support ἑβδομήκοντα. For discussion of the problem see B. M. Metzger, ‘Seventy or Seventy-two Disciples?’, NTS 5, 1958-59, 299-306 (summarised in Metzger, 150f.).

1. The external evidence is evenly balanced. But although B and א are ranged against each other, B is supported by p and D. The combination of Alexandrian, Western and Syriac evidence in favour of 72 is the stronger.

2. Transcriptional arguments are indecisive. Confusion with the following ἀνὰ δύο could operate in either direction.

3. While the number 70 appears in a variety of symbolical uses, the use of 72 is much less frequent. Hence intrinsic probability strongly favours 72.

4. The possible symbolism may furnish an explanation of both numbers. There were 70 elders of Israel (Ex. 24:1; Nu. 11:16f., 24f.); the attempt to obtain 72 by including Eldad and Medad (Nu. 11:26; Miyoshi, 61, 79) is forced. For other groups of 70 persons see Ex. 1:5; 15:27; Jdg. 9:2; 2 Ki. 10:1; Bel 10; there were 70 members of the sanhedrin, excluding the high priest. There were reckoned to be 70 nations in the world (Gn. 10; cf. 1 En. 89:59ff.; Tanchuma tôl eḏôṯ 32b); the LXX of Gn. 10, however, lists 72 nations. There were 72 elders who prepared the LXX (Ep. Arist. 46-50). There were reckoned to be 72 princes and 72 languages in the world (3 En. 17:8; 18:2f.; 30:2). It has been suggested that Luke was alluding to some aspect of this symbolism, e.g. to the 70 elders of Israel (SB II, 166; Wilson, 45-47); but this particular suggestion does not adequately explain the number 72 in the textual tradition. Another view is that the translators of the LXX were in Luke’s mind, and he altered an original 70 in the tradition to 72 (S. Jellicoe, ‘St Luke and the Letter of Aristeas’, JBL 80, 1961, 149-155).

Most commentators, however, see a reference to the nations of the world, and find a foreshadowing of the later evangelism by the church in the world (K. H. Rengstorf, TDNT II, 634f.). This last suggestion gives a plausible solution of the textual problem. In 10:3 there is an implicit reference to the 70 nations of the world (see note). It is plausible that Luke, following Gn. 10 LXX (and/or possibly thinking of the missionary intent of the 72 translators of the LXX) wrote 72; later copyists, familiar either with the tradition behind 10:3 or with Gn. 10 MT, then altered the number back to the more familiar 70. If this reasoning is correct, it follows that the use of 72 (70) is not due to Lucan creation (Wellhausen, 48; Schulz, 404) but is derived from tradition. The understanding of the mission, described in strictly Palestinian terms, as prefiguring the gentile mission, was thus possible in the pre-Lucan tradition, and Luke has taken it over. He has not, however, developed it in any detail; indeed the fact that the disciples are sent out in pairs suggests that the idea of 72 (70) disciples going to 72 (70) nations is not taken up in the passage.
 
In der Apg. 5, 36-37, 'ungefähr 400 Männer', eine offenkundige Schätzung.
In der Apostelgeschichte wird zwar die Hinrichtung des Theudas beschrieben, aber der gewaltsame Tod der 400 Anhänger des Theudas nur angedeutet. Je nach Übersetzung wurden seine Anhänger "zerstreut" und "zunichte gemacht" bzw. "aufgerieben".

Flavius Josephus berichtet hingegen, dass der römische Prokurator Cuspius Fadus Reitertruppen gegen die Versammlung um Theudas eingesetzt habe und zahlreiche Anhänger durch die Reiter erschlagen wurden. Eine konkrete Zahl seiner Anhänger nennt Josephus nicht, dafür erwähnt er aber die öffentliche Zurschaustellung des abgeschlagenen Kopfes in Jerusalem.

Es geht also in der Apostelgeschichte nicht nur um 400 Jünger des Theudas, sondern es wird auch angedeutet, dass sie alle einen gewaltsamen Tod fanden. Es ist gewissermaßen ein body count, den Rabbi Gamaliel durchführt. Auch bei der Erwähnung des Judas von Galiläa und seiner Anhänger an gleicher Stelle in der Apostelgeschichte, geht es um den gewaltsamen Tod jener Sektierer. Für Gamaliel ist der gewaltsame Untergang dieser beiden Gruppierungen der Beweis, dass Theudas und Judas der Galiäer eben keine echten Propheten oder Erlöserfiguren sein können.

Für Flavius Josephus scheint auch der body count entscheidend gewesen zu sein. Jedenfalls berichtet er vor allem dann, wenn die Verfolgung solcher Gruppierungen viele Opfer fordert. Sein erster sicherer Bericht über das Christentum bezieht sich auf die Steinigung des Jakobus und einiger anderer. Es geht also um den Tod gleich mehrerer Christen! Das Ereignis scheint für iJosephus wichtiger gewesen zu sein als die Kreuzigung von Jesus.
Sueton erwähnt Christus im Zusammenhang mit der Judenverfolgung durch Kaiser Claudius in Rom; den Unterschied zwischen Christen und Juden kannte er nicht. Tacitus erwähnt das Christentum erst, als er von den Christenverfolgung Neros berichtet.
Jedenfalls scheint der body count immer ausschlaggebend zu sein, um die Aufmerksamkeit der antiken Geschichtsschreiber zu bekommen.

Folgt man der Passionsgeschichte in den Evangelien, so gab es in dieser Jesus-Bewegung nur einen Toten am Kreuz, nämlich den Wanderradikalen Jesus. Von den Jüngern (egal wie viele es waren) kam erstmal niemand zu Tode. Ein einzelner toter Mann am Kreuz ist für Flavius Josephus oder Tacitus noch keine Notiz wert. Erst mit der Christenverfolgung wird Jesus interessant genug, um über ihn zu berichten.
 
Nur nebenbei angemerkt:
Jedenfalls scheint der body count immer ausschlaggebend zu sein, um die Aufmerksamkeit der antiken Geschichtsschreiber zu bekommen.
(...) Ein einzelner toter Mann am Kreuz ist für Flavius Josephus oder Tacitus noch keine Notiz wert. Erst mit der Christenverfolgung wird Jesus interessant genug, um über ihn zu berichten.
Ein sehr interessanter Gedanke! Die Perspektive Roms auf das lästige Geschehen weit weg in einer unruhigen, dazu wirtschaftlich wenig ergiebigen Provinz. Wir heute neigen a posteriori dazu, aufgrund unserer Kenntnisse dem Vorfall enorme weltgeschichtliche Relevanz zu attestieren - für die Perspektive Roms hingegen sah das wohl ganz anders aus. In diese Richtung geht auch eine Erzählung von Andre Gide (?) : auf seinem noblen Alterssitz wird abends beim Wein der hoch dekorierte, längst pensionierte Pontius Pilatus en passent gefragt, ob er sich an diesen Jesus da erinnere - Pilatus erinnert sich nicht, er hatte in seiner aktiven Laufbahn wichtigeres zu bearbeiten. Der Plot der Erzählung: die Passionsgeschichte als Mückenschiss der Geschichte, irrelevant.
(ich bin mir nicht sicher, ob diese Erzählung von Gide war)
 
Für Flavius Josephus scheint auch der body count entscheidend gewesen zu sein. Jedenfalls berichtet er vor allem dann, wenn die Verfolgung solcher Gruppierungen viele Opfer fordert.
Weil sie dann inzwischen offenkundig ziemlich sicher die hohe politische Ebene berührt hat...Ursache und Wirkung liegen vielleicht anders rum..
Verfolgung + viele Opfer: die Reichsebene war militärisch/politisch wesentlich involviert, herausgefordert usw.
Und gewaltsame Auseinandersetzungen mit vielen Todesopfern beispielsweise allein 'nur' zwischen Bevölkerungsgruppen innerhalb des Römischen Reiches gefährdeten gleichfalls die staatlich-politische Stabilität bzw. konnten sie möglicherweise aktuell oder zukünftig bedeutsam destabilisieren bzw. zu unkontrollierbaren Ausweitungen und Entwicklungen führen, in bzw. von welcher Region auch immer ausgehend.
 
Ich denke, das ist ein Schreibfehler, und die "elders" der Septuaginta sind gemeint, siehe oben:
There were 72 elders who prepared the LXX (Ep. Arist. 46-50).

wiki hat dazu diese Erklärung:
"Der Legende nach übersetzten 72 jüdische Gelehrte in Alexandria die Tora (fünf Bücher Mose) in 72 Tagen aus dem Hebräischen ins Griechische. Dabei soll jeder Übersetzer für sich selbst gearbeitet haben, am Ende aber seien alle 72 Übersetzungen absolut identisch gewesen: Der Heilige Geist habe allen dieselben Worte eingegeben. Die Zahl 72 wurde auf 70 abgerundet und erinnert an die siebzig Auserwählten, die mit Gottes Geist begabt wurden, um Mose bei der Rechtsprechung zu helfen (Num 11,24ff EU)."
Ich weiß nicht, ob das zutrifft. Gelehrtenzahlen in einer Bibelübersetzung einfach abzurunden, klingt für mich nach einer sehr banalen Erklärung.
 
Die Abrundung ist wohl eine Wiki-Legende...

Das WiBiLex (Das wissenschaftliche Bibellexikon) im Netz notiert im Lemma Septuaginta der Autoren Carsten Ziegert und Siegfried Kreuzer in der aktuellen Version vom 5.1.21 bei Punkt 1.1. Entstehungslegende u.a.:

Der pseudepigraphe Brief des Aristeas an Philokrates (→ Aristeasbrief; Text des Aristeasbriefs) weiß zu berichten, dass König Ptolemaios II. Philadelphos (282-246 v. Chr.) auf Anraten seines Bibliothekars Demetrios seine berühmte Bibliothek in Alexandria um eine Ausgabe des jüdischen Gesetzes ergänzen wollte. Auf die Bitte des Königs sandte der jüdische Hohepriester sechs gelehrte Männer aus jedem der zwölf Stämme Israels nach Alexandria, die innerhalb von 72 Tagen die Tora ins Griechische übersetzten. [...]
[...]
Irenäus erwähnt nicht wie der Aristeasbrief 72, sondern nur 70 Übersetzer. Die Tradition der Siebzig, die wohl auf Num 11,16 beruht und sich auch in der Institution der γερουσία (vgl. → „Älteste“) widerspiegelt, hatte für die Übersetzung die Bezeichnung „Septuaginta“ und damit die Abkürzung LXX zur Folge.[...]​
 
Zum Messias ist ebenso interessant aus dem WiBiLex (Artikel Königtum Gottes(AT)):

Im Horizont des weltpolitischen Aufstiegs des Perserkönigs Kyros verkündet Deuterojesaja für die nahe Zukunft visionär die anbrechende definitive, „eschatologische“ Heilsvollendung für Israel. Das (ursprüngliche) Buchgefälle läuft auf Jes 52,7-10* zu, wo die Formulierung „König geworden ist und nunmehr als König herrscht dein [sc. Zions] Gott“ (מָלַךְאֱלֹהָיִךְ mālakh ’älohājikh; qatal-x) den Akzent auf den (jedenfalls in der göttlichen Welt) erfolgten Anbruch des Königtums Jhwhs legt, der nun das irdische Geschehen unweigerlich zum Ziel führen wird.
Dabei erbt Jhwhs „Messias“ Kyros (Jes 45,1) das weltliche Königsamt der Davididen, das damit im Zuge der Auseinandersetzung Deuterojesajas mit der babylonischen Leitkultur kühn globalisiert wird – in Entsprechung zum weltweiten Königtum Jhwhs über alle „Götter“ (deren Göttlichkeit bekanntlich bestritten wird) und alle Völker. [...]

Durch die Integration [von Deutero-Jesaja] in das Jesajabuch ergibt sich eine neue Dynamik: Die exilische Problematisierung wird durch die Abfolge von präsentischem Königtum Jhwhs (Jes 6) und eschatologischem (Neu-)Anbruch (Jes 40-52*) literarisch eingeholt. Dasselbe trifft für die irdische Ebene zu, wenn die im Buchablauf auf die Davididen historisierten Königstexte Jes 7; Jes 9; (Jes 11) durch Jes 45 mit dem Messias Kyros fortgeführt werden. [...]

Und zum "Erlöser" (Artikel Deuterojesaja):
Zu den Elementen der Hilfszusage gehört die Rede von der Erlösung Israels. Der Begriff stammt aus dem Familienrecht und bezeichnet den Loskauf von Sippenangehörigen aus der Schuldsklaverei (Löser / Loskauf); bei Dtjes wird er ausschließlich als Jahweprädikat gebraucht: Jahwe ist Israels „Erlöser“, nun also aus dem babylonischen Exil. Die Vorstellung ist jedoch bezeichnend abgewandelt: Israels „Loskauf“ besagt ja nicht, dass Jahwe dem bisherigen Oberherrn Babylon ein Lösegeld zahlt. Am nächsten kommt Jes 43,3 der herkömmlichen Vorstellung: Jahwe zahlt „Ägypten, Kusch und Seba“ als Lösegeld für Israel, aber nicht an den bisherigen, sondern an den künftigen Besitzer, an Kyros, den Eroberer Babylons. Anders in Jes 44,22, wo das Wort von Israels „Erlösung“ auf die Aussage der Tilgung seiner Sünde und Schuld folgt: Wohl heißt „erlösen“ auch dort konkret aus der babylonischen Gefangenschaft befreien, aber diese ist Konsequenz der Schuld Israels gegenüber seinem Gott. Die Zahlung von Lösegeld an Kyros oder Babylon wird von späteren Autoren bestritten (Jes 45,13bβ; Jes 52,3), aber das ist nicht Dtjes’s Problem: Bei ihm geht es um die Analogie der familiären Beziehung und der daraus folgenden Pflicht zur Befreiung: Ein solches Verhältnis zu seinem Volk hat Jahwe mit dem Wort von der Erlösung deklariert. [...]

Hier muss von den irdischen Agenten Jahwes bei Dtjes die Rede sein. Da ist einmal Kyros, angesprochen in zwei Berufungsorakeln: In Jes 45,1-7 soll er als Jahwes „Gesalbter“ Babylon erobern, in Jes 42,5-8* die Gefangenen freilassen.
Das ist die irdisch-konkrete Gestalt des göttlichen Siegs über Babylon und der Heimführung der „Beute“ nach dem Schlussteil des Prologs: Kyros ist von Jahwe dazu beauftragt und ermächtigt. [...]

Messias, "Gesalbter", ist ja eine Bezeichnung die nur für Könige und Hohepriester verwendet wurde (und nur in Israel und Juda) und (gemäß der Schrift muss der aus dem "Haus David" stammen und der König wurde immer zum Sohn des Herren, plötzlich werden in der "Genealogie" der Königsbücher Brüder zu Söhnen, so wurde Jesu also dann auch zum "Sohn Davids") den Römern war das Königtum aber (ursprünglich) zutiefst verhasst, ("odium regni", nachdem sie sich von den Etruskern befreit hatten folgten auf Romulus sechs "gute" Könige bis es unter Tarquinius Superbus zur Tyrannis kam. Nachdem Brutus die gens Tarquinius aus Rom vertrieben hatte schwor man nie wieder einen König über sich zu dulden... der Ursprung der res publica und des odium regni, Königshass) sie gravierten INRI in das Kreuz Jesu, Jesus von Nazareth, König der Juden, und setzten ihm eine Dornenkrone auf den Kopf. Allerdings setzt man das Ende der Republik mit Augustus und der Errichtung des Prinzipats 27 v. Chr. an, aber solche Veränderungen treten auch nicht über Nacht ein, für Jahrhunderte rühmte man sich der Überlegenheit der res publica gegenüber dem Königtum und rex war ein Schimpfwort, aber die Senatoren inszenierten sich zunehmend wie Könige, bauten immer prunkvollere Villen und Paläste die die antiken Könige in den Schatten stellten. Cicero philosophiert sehr lang über die königlichen Eigenschaften die ein Politiker mitbringen muss, und die tyrannischen die es zu vermeiden gilt. Zudem setzten sie ja in vielen Provinzen auch Vasallen-/Klientelkönige ein, wie Herodes zur Zeit Jesu Geburt. Die Nachricht der Messias sei geboren, also der "legitime König aus dem Hause David" ist eine Bedrohung für seine Machtposition so ordnet er nach der biblischen Erzählung den Mord aller männlichen Kleinkinder Bethlehems an.
Die Frage ob er nun also der Messias ist, ob er der König von Judäa, der Juden oder gar Israel sein kann, das ist eine Frage der Macht, die hatte Jesus offensichtlich nicht, darum wurde er von der Mehrheit bestenfalls belächelt, ein Straßenprediger der ein paar Texte kannte und Glück hatte wenn ihm jemand eine Münze zuwarf. Mit den Römern hatte er es obendrein schlecht erwischt, denn denen war Königtum zuwider.
Die Glaubensfrage, ob nun Gott und die All-/Macht hinter einem steht, konnte ein Assurbanipal, ein Kyros oder Dareios ganz anders beantworten.
 
Zu Jesu Zeiten + Region gab in jeder Generation Personen, die zumindest vorrübergehend im Ruf standen, womöglich der Messias zu sein.

3 oder 4 Generation nach Jesus galt dies z.b. für Bar Kohba.

Die Flucht Maria + Josef + dem Säugling nach Ägypten vor der Verfolgung durch herodianische Häscher wird derweil nur bei Matthäus berichtet & parallelisiert Jesus unübersehbar mit Mose - der ebenfalls als Säugling vor Verfolgung in Ägypten gerettet wurde.

Die einzig bei Matth. gegebene Erzählung von der angeblichen Verfolgung u. Flucht nach Ägypten bei Matth. zielte darauf ab, Jesus zumindest als e. neuen Mose abzubilden.
 
[...] Mose - der ebenfalls als Säugling vor Verfolgung in Ägypten gerettet wurde.

Dazu auch:
Die Erzählung über die Kindheit von Mose nimmt ein altes, literarisches Vorbild auf, das in der Zeit des 7. Jhs. v. Chr. neu belebt worden war: König Sargon I. von Akkad (um 2340−2284 v. Chr., auf akkadisch: šarru-k̅ en = „der König ist legitim“) war unbekannter, nichtdynastischer Herkunft, die durch eine Legende legitimiert wurde. Diese erzählt, dass er als Säugling in einem Binsenkörbchen ausgesetzt worden sei. Viele Jahrhunderte später ist diese Legende von Sargon II. (722−705) zu seiner eigenen Legitimierung aufgegriffen worden und scheint von dort in die Kindheitsgeschichte des Mose übernommen worden zu sein. [...]
Barbara Schmitz, Geschichte Israels

Die Anhänger eines Glaubens glauben aber ja daran, also wussten von dem gerade zitierten nichts. Tropen aus der Exoduserzählung werden vielfach in der Bibel wiederverwendet, insofern ist an was du sagst womöglich was dran, die Geschichte von Herodes Kindermord in Bethlehem wird heute überwiegend als legendär verstanden. Die Wahrheit ist vermutlich wie so oft irgendetwas dazwischen.
 
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