Pfandleihhäuser

Minelle

Mitglied
Wenn Adelige in finanzielle Nöte kamen, versetzten sie auch schon mal gerne Wertsachen. Pfandleihhäuser galten ja eher als anrüchig und solche Transaktionen wurden daher auch im Geheimen abgewickelt. Meine Frage wäre jetzt: Wer betrieb diese Pfandleihhäuser? Waren es tatsächlich in der Mehrzahl Juden?
 
Wenn Adelige in finanzielle Nöte kamen, versetzten sie auch schon mal gerne Wertsachen. Pfandleihhäuser galten ja eher als anrüchig und solche Transaktionen wurden daher auch im Geheimen abgewickelt.
Der Adel hatte eigentlich in der Regel andere Möglichkeiten an finanzielle Mittel zu kommen, als das Versetzen von Wertsachen. Der verfügte in der Regel über Landbesitz, der sich nötigenfalls zu Teil verpfänden ließ.
Je nachdem wie hoch sie in der Adelshierarchie standen und ob es sich um regierende Fürsten handelte oder nicht, standen den Herrschaften auch noch andere Geldquellen zu Gebote: Verkauf von Titeln und Ämtern, Legitimierung unehelicher Kinder etc.

Die meisten Pfandleiher werden auch nicht über hinreiched Kapital verfügt haben die tatsächlich zum Teil extrem teuren Wertsachen im Besonderen des höheren Adels überhaupt annehmen zu können.

Pfandleiher dürften eher der Notanker für das Kleinbürgertum und die unterbürgerlichen Schichten gewesen sein, für den Adel wird es sinnvoller gewsen sein sich bei solche Problemen an die eigene Verwandtschaft, Standesgenossen, oder wenn es ganz schlimm kam, wegen entsprechender Kredite an Bankhäuser zu wenden, eher nicht an Pfandleiher.

Wer betrieb diese Pfandleihhäuser? Waren es tatsächlich in der Mehrzahl Juden?
Das dieses Gerwerbe Anfang des 19. Jahrhunderts mehrheitlich in jüdischer Hand gewesen wäre, kann ich mir kaum vorstellen.

In Teilen des Mittelalters, in denen das christliche Zinsverbot mindestens teilweise noch ernst genommen wurde und durch Zunftregelungen und andarweitige Verbote die Juden aus den meisten Teilen des Handwerks verdrängt und von Landbesitz ausgeschlossen waren etc. mag ees zutreffend sein, dass in diesem Bereich Juden deutlich überproportional vertreten waren.

Aber diese Strukturen waren ab der 2. Hälfte des 18. Jahrhundert eigentlich nicht mehr gegeben.

Das christliche Zinsverbot nahm schon spätstens seit der Rennaissance kaum noch jemand ernst und im Zuge der Aufklärung, einer immer stärkeren Kommerzialisierung, den ersten Anfängen der Industrialisierung, kamen auch die Zunftprivilegien massiv unter Druck, wurden zum Teil abgeschafft und auch die rechtliche Situation der Juden zunehmend verbessert (vielleicht nicht unbedingt in Russland, im restlichen Europa in der Tendenz aber mindestens so weit, dass die überkommnen Berufsverbote etc. fielen).

Von dem her konnte im ausgehenden 18-19 Jahrhundert im Grunde genommen jeder, der ausreichend Kapital mitbrachte dieses Geschäft betreiben, wobei es natürlich anrüchig blieb, weil es nach wie vor vor allem ein Geschäft mit der wirtschaftlichen Not der kleinen Leute war.
 
Ich muss vorausschicken, dass ich kein Fachmann dieser Fragestellung bin, aber sie hat mich interessiert.

In der wikipedia werden
- öffentliche Leihämter

- von privaten Pfandleihhäusern

unterschieden.

Das erste öffentliche Leihhaus wurde 1462 in Perugia durch den Franziskaner Bernhardin von Feltre (Bernardino da Feltre) gegründet, der in seinen Predigten Wucherzinsen kritisierte.
Also gut katholisch. Dann folgten sie in Deutschland:
Das älteste öffentliche Pfandhaus in Deutschland wurde 1560 in Hamburg gegründet, es folgten Augsburg 1603, Nürnberg 1618, Mannheim im Jahr 1809 und Stuttgart 1872.
Ich kann mir vorstellen, warum du meinst, vor allem Juden hätten Pfandleihhäuser geleitet. Dieser Unterschied war vor allem im Mittelalter von Bedeutung, die Leihhäuser entstanden aber erst in der frühen Neuzeit. Diese wechselvolle Geschichte will ich hier skiziieren, und zwar anhand Dennis Beckmann, Pfandleiher in Deutschland.

Mittelalter

Im MA war das Pfandkreditgewerbe, wie gesagt, überwiegend in jüdischer Hand, aber nicht nur:
Sowohl Christen, als auch Juden wurde das zinsmäßige Verleihen in der eigenen Gruppe, mit Verweis auf zwei Stellen im Alten Testament (Ex. 22,24; Deut. 23,20), verboten. Neben dem regen, zinslosen Leihgeschäft christlicher Kaufleute, Fürsten und Klöster untereinander, florierte ein zinsmäßiges Leihgeschäft zwischen jüdischen Geldverleihern und christlichen Kunden.
Hier finanziert sich also auch der Adel:
Da Kredit ohne Pfand oder Bürgen für alle Stände schwer zu bekommen war, bedienten die Pfandleiher nicht nur die Armen mit Konsumkrediten, sondern auch Handwerker und Bürger mit Investitionskrediten und finanzierten außerdem den Machtausbau der Fürsten.

Frühe Neuzeit, s. auch die wiki-Artikel

Aufweichung des jüdischen Privilegs, vgl. Franziskanerorden in der Lombardei (Lombardkredit):
Im 15. Jahrhundert begann sich dieser Zustand allmählich zu ändern, als die Kirche das Zinsverbot aufgab und eigene Pfandhäuser mit niedrigeren Zinsen eröffnete. Kirchliche und jüdische Pfandleihe bestanden aber über Jahrhunderte parallel.
Die christliche Kreditaktivität aber endete in Deutschland nach dem 30j Krieg:
Im Dreißigjährigen Krieg müssen diese jedoch ihren Betrieb eingestellt haben, da in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts das Pfandkreditgeschäft in Deutschland wieder in der Hand jüdischer, privater Geldverleiher war.
Auch diese Situation bestand nur kurzfristig und wurde vor allem durch den bürgerlichen Staat geregelt:
Die Nachfrage nach einer öffentlichen Alternative bestand also weiterhin, sodass im ausgehenden 17. und im 18. Jahrhundert überall im Reich öffentliche Leihämter entstanden, die in der Regel der kirchlichen, städtischen oder fürstlichen Armenfürsorge unterstanden, und mit den eingenommenen Zinsen keinen Profit erwirtschaften mussten.
Kurze Zeit später wurde das Zinsprivileg der Juden durch die Judenemanzipation abgeschafft: sie waren nun nicht mehr auf das Kreditgeschäft angewiesen. (*)

Man sieht, die Beteilung von Juden am Pfandkreditgeschäft ging hin und her. Und der Adel, soweit ich sehe, war immer dabei. Im der frühen Neuzeit wurden die finanziellen Angelegenheiten zumindest der Fürsten ohnehin von den "Hofjuden" geregelt.

(*) Der Vorteil, dieses Buch zu Hand zu nehmen, besteht darin, dass dort weiterführende Literatur zitiert wird für eine tiefere Recherche.
 
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