Wie prüde waren die 1950er Jahre?

Ich habe neulich in einem alten Jahrbuch von 1950 aus meiner Heimatstadt eine Anzeige für das Stadtbad gesehen, wo getrennte Badezeiten für Männer und Frauen standen, und das hat mich doch sehr verwundert.
In Filmen die in der Zeit spielen, sieht man ja gemischte Schwimmbäder wie sie heute üblich sind.
Gab es damals eigentlich auch Schwimmbäder, in denen Männer und Frauen gemeinsam badeten, oder war das wie in meiner Heimatstadt damals überall so streng getrennt um 1950 herum?
Getrennte Badezeiten für Männer und Frauen(gemeinsame gab es in dem Bad nicht, die halbe Woche durften die Frauen morgens rein, die andere Hälfte die Männer morgens, und genauso wurde es Mittags gehalten, eine Hälfte der Woche war der Mittag für die Männer, in der anderen für die Frauen.
War das überall so, oder war das nur ein besonders prüdes Schwimmbad?
Leider weiß ich nicht, wie es in den anderen Schwimmbädern meiner Heimatstadt damals war, ob da die Männer und Frauen auch getrennt badeten.
Wenn man Spielfilme über die 1950er sieht, wirkt meistens alles so locker und man hat das Gefühl, dass es damals nicht so streng zugeht, aber diese getrennten Badezeiten machen doch einen erschreckend prüden Eindruck auf mich.
Und falls das damals überall so war...ab wann gab es dann für Männer und Frauen gemeinsames Baden wie das heute üblich ist?
 
Das war keine Prüderie, sondern Freiheit. Es gab Badezeiten für Männer, für Frauen, und das "Familienbad".

Frauen konnten unbeobachtet sein, wenn sie wollten. Oder sich mit Freundinnen im Bad treffen. Sie konnten dennoch auch andere Badezeiten wählen, wenn sie Lust auf Kontakt zum anderen Geschlecht hatten.

Die 1950er Jahre waren keineswegs prüde. Es gab Affairen, Seitensprünge, Betriebsfeiern, Kegelausflüge, Kurschatten.

Was eine große Rolle gerade am Anfang der 1950er Jahre spielte: es gab eine große Konkurrenz unter Frauen insofern als es in der Kriegsgeneration einen Frauenüberschuss gab.
Ein anderes Problem war, dass in den Frauenhandbüchern ubd den verbreiteten Frauenratgebern vielfach das Ideal eines Heimchens am Herd propagiert wurde, und jüngere Frauen sozial stark durch andere Frauen kontrolliert wurden: sei es durch die Schwiegermutter, die eigene weibliche Verwandtschaft, oder die Nachbarn.

In der Generation meines Vaters sah ich jedoch viele (akademisch geprägte) Frauen, die eine wache Sexualität und intellektuelle Offenheit hatten. Es wurde sehr viel gelesen, viele Leute waren gut informiert, und es war so dass Leute sich über bestimmte Themen sehr stark austauschten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe gestaunt was ich im Giftschrank und in den freien Bücherregalen meiner Eltern alles so fand. Simone de Beauvoir, Jean Paul Sartre und die französische Belletristik der 1950er Jahre waren weit verbreitet. Sexualität war jedoch auch in diesen Büchern Thema.
Wer etwas über die Alltagserfahrungen und das großstädtische Aufbruchsgefühl lesen will, dem sei Martin Walsers "Ehen in Philippsburg" empfohlen.

Das Verständnisproblem liegt darin, dass viele in den späteren Generationen die sprachlichen und sozialen Chiffren jener Zeit nicht mehr lesen können. Soziologischer Analphabetismus.

Meine Mutter hatte eine Vorzugsausgabe der Verse Sapphos geschenkt bekommen, von einer Frau die an ihr sexuell interessiert war.

Und es gab auch das Reden über andere, wenn man z.B. Anspielungen auf Homosexualität oder Freizügigkeit von Paaren machte.
Fazit: Prüde? Nein!
 
Zuletzt bearbeitet:

Pardela_cenicienta:​

Sind Sie sich da sicher ? Schon allein die Tatsache, dass sie einiges gerade im "Giftschrank" ihrer Eltern fanden, scheint das doch zu konterkarieren. Die 50er Jahre waren mMn. - wie auch die vorherhergehenden Jahrzehnte - extrem "prüde" in dem Sinne, dass öffentlich sexuelle Handlungen tabu und eine Diskussion über sie strengstens verpönt waren. Nach Moralkodex erlaubt war eheliche Missionarsstellung - natürlich nur hinter zugezogenen Vorhängen, alles andere war - zum Teil ja noch strafrechtlich - ohnehin "out of order".
Sicher, sie haben schon recht, Homosexualität, Seitensprünge und sexuelle Ausschweifungen hat es sicher auch damals gegeben, aber nur versteckt, streng abgeschirmt von der gesellschaftlichen Oberfläche, im Bereich des moralisch Verbotenen. Großstädtisches Umfeld, hohes Bildungsniveau und eine solide materielle Basis mögen es auch manchen erlaubt haben an der gesellschaftlichen Oberfläche zu kratzen oder nonchalant Grenzen auszutesten. Zu ignorieren waren diese Vorstellungen - wollte man seine "bürgerliche Existenz" behalten - keineswegs. Chiffren, wie sexuelle Avancen sicherheitshalber nur literarisch auszudrücken, bestätigen das eigentlich nur noch.

Und damits nicht zu ernst wird halbwegs passend ein Text-Ausschnitt aus dem 64er Hit "Shame and Scandal in the family" über die Nöte eines Heranwachsenden:

He found a young girl, that suited him nice
And went to his papa to ask his advice
His papa said son, I have to say no
This girl is your sister but your mama don't know
.......
.......
He went to his mama and covered his head
And told his mama what his papa had said
His mama she laughed, she said go, man, go
Your daddy ain't your daddy, but your daddy don't know

Zum Threadstarter:
Sorry, als erst im Nachjahrzeht Geborener kann ich nur versichern, dass das in meiner Kinderzeit in meiner Umgebung nicht (mehr?) üblich und eigentlich für mich gar nicht mehr vorstellbar war.
 
Insgesamt, muss ich gestehen, wundere ich mich auch über die Einschätzung von @Pardela_cenicienta. Ich denke schon, dass man die Fünfziger als prüde bezeichnen muss, und das nicht nur nach den Maßstäben unserer heutigen hypersexualisierten Gesellschaft. Dass sich seinerzeit ein liberales Milieu herauszubilden begann, die jungen Frauen nun Bikinis trugen und es quasi zur Aufgabenbeschreibung einer Sekretärin gehörte, von ihrem Chef geschwängert zu werden, ändert daran in meinen Augen nichts. Die Fünfziger waren eine Zeit, in der man in Elvis' Hüftschwung eine Gefahr für die öffentliche Moral sah. Über ein Jahrzehnt sollte noch vergehen, bis Oswalt Kolle den Deutschen erklärte, dass ihre Frauen eine eigenständige Sexualität hätten.
 
Die 50iger Jahre!
Ich bin inzwischen 83 Jahre alt, habe also die 50iger als Kind erlebt.
Allerdings in Osten Deutschlands und da lief so einiges anders.

Der II. Weltkrieg war vorbei.
Man war nun mit dem Wiederaufbau beschäftigt.
Ein paar Jahre später, entstand in der Welt eine neue Bewegung.
In Deutschland erlebte man einen ersten Höhepunkt dieser neuen Bewegung.
Der Start war gelungen.

Das Startgeld (Sachschaden) betrug an einen einzigen Abend 30.000,- DM-West (damals viel Geld!) und mehr als 50 Verletzte. (Bill Haley und “his comets” am 25.08.1956 Sportpalast Berlin/West).

Für die einen, der schon lang ersehnte Beginn einer neuen Zeit; für die anderen, der Untergang des Abendlandes.
Mit dieser neuen „Kultur“ kamen viele nicht so richtig klar.
Und so kam es wie es in solchen Situationen kommt, es gab Krach.

Da stritten sich Eltern mit ihren Kindern, da hängte sich sogar der Staat rein. Von der Kirche wollen wir erst gar nicht reden. Für die war der Antichrist unterwegs.

Und dann kam noch das Gesülze der Ostdeutschen Regierung dazu. Schwer genug, dass es schon zwischen den Eltern und ihren Kindern da Krach gab, da schepperte und wetterte auch noch der Spitzbart („Kosename“ für W. Ulbricht) von Suhl bis Cap Arkona/Insel Rügen (Suhl bis Cap Arkona, wurde umgangssprachliche für die Größe der DDR verwendet). Sogar Gefahren für den Weltfrieden wurden da heraufbeschworen.

Was wollen „DIE“ eigentlich fragte man sich zu jener Zeit?
Die da glaubten Bescheid zu wissen, meinten:

„Schaukeln und wälzen wollen die!“

Whole Lotta Shakin’ Goin’ On“ Jerry Lee Lewis. Kam ja so im April 1955 auf.
Und diejenigen die es etwas ruhiger mochten „I’m Sorry“ von Brenda Lee. Kam dann so Ende der 50iger auf.

Im Osten hörte man dies über Radio Luxemburg oder den bayrischen Rundfunk oder auch vom AFN/Frankfurt/Main – Hessen -Wiesbaden und im Sendebereich des Berliner Raums vom „RIAS“.
 
Zuletzt bearbeitet:
Sicher, sie haben schon recht, Homosexualität, Seitensprünge und sexuelle Ausschweifungen hat es sicher auch damals gegeben, aber nur versteckt, streng abgeschirmt von der gesellschaftlichen Oberfläche, im Bereich des moralisch Verbotenen.
Homosexuelle, die von anden Alliierten aus den Konzentrationslagern befreit wurden, wurden durch dieselben Allierten sofort wieder ins Gefängnis gesteckt und auch als Dtld. seine Souveränität wiedererlangte, mussten praktizierende Homosexuelle immer damit rechnen, wegen des § 175 einzusitzen. Mit allem, was Gefängnisaufenthalte an Folgen nach sich zogen (Gewalt, Drogen...)

Insgesamt, muss ich gestehen, wundere ich mich auch über die Einschätzung von @Pardela_cenicienta. Ich denke schon, dass man die Fünfziger als prüde bezeichnen muss, und das nicht nur nach den Maßstäben unserer heutigen hypersexualisierten Gesellschaft. Dass sich seinerzeit ein liberales Milieu herauszubilden begann, die jungen Frauen nun Bikinis trugen und es quasi zur Aufgabenbeschreibung einer Sekretärin gehörte, von ihrem Chef geschwängert zu werden, ändert daran in meinen Augen nichts. Die Fünfziger waren eine Zeit, in der man in Elvis' Hüftschwung eine Gefahr für die öffentliche Moral sah. Über ein Jahrzehnt sollte noch vergehen, bis Oswalt Kolle den Deutschen erklärte, dass ihre Frauen eine eigenständige Sexualität hätten.
Itsy Bitsy Teenie Weenie Yellow Polka Dot Bikini (1957) und dt. Itsy Bitsy Teenie Weenie Honolulu-Strand-Bikini (1960).
Bis 1977 galt der Kuppelparagraph: Einem unverheirateten Pärchen ein Zimmer oder eine Wohnung zur Verfügung zu stellen, galt als Kuppelei und war strafbar. Kuppelei war in dieserVorstellung quasi eng verwandt mit Prostitution.
 
Prüderie und Repressivität sind nicht dasselbe.

Repressivität: auf der Rückseite eines ausgeschnittenen Zeitungsberichts über das Hochwasser im Diemeltal 1965 war ein Bericht über einen öffentlichen Prozess in Nordhessen gegen eine Mutter, wegen Kuppelei, die ihre volljährige Tochter mit einem amerikanischen Soldaten in der Wohnung alleingelassen hatte, in einem Wohnzimmer mit Sofa. Da wurde voyeuristisch die Eignung des Sofas erörtert.

In beengter Nachbarschaft, der Wohnungsnot der 1950er Jahre, in hellhörigen Wohnungen, in kleinbürgerlich-repressiven Verhältnissen, war die soziale Kontrolle groß.

Im bürgerlich-akademischen Milieu wurden die Regeln durchaus geachtet und gleichzeitig souverän interpretiert.

Viel wichtiger war dass ein großer Teil der Bevölkerung sozial sehr abhängig war: jung verheiratete Frauen die arbeiten mussten, Lehrmädchen mit geringem Gehalt und fehlender Aufstiegsperspektive, Arbeiter die zur Auszahlung des Wochenlohns auf dem Fabrikhof anstanden und Tütchen aus Transparentpapier mit Lohnstreifen (zum Einkleben) und dem Lohn in Scheinen und Münzen erhielten.
Das war die in sich selbst schon repressive soziale Situation.
 
Da wurde voyeuristisch die Eignung des Sofas erörtert.
das könnte auch durch literarische Anregungen teilinitiiert gewesen sein: in Heines Memoiren des Herrn Schnabelewopski wird ein langer Gedankenstrich ---------- eingesetzt, welcher ein Sofa symbolisiert, auf welchem sich... ;)

Die Literatur der 50er Jahre - Böll, Borchert, Schmidt, Andersch, Heißenbüttel, Grass, Aichinger, Bachmann, Eich und und und - erweckt keinen prüden Eindruck, was sich mit der Wahrnehmung von @Pardela_cenicienta zum Intellektuellen-Milieu deckt. Im Fernsehen, was in dieser Zeit expandierte, mag das einen anderen Anschein gehabt haben: da war Eskapismus in heile Familienwelt vorherrschend.
 
Richtig: Repression ist vorwiegend staatliches Handeln zur Durchsetzung aktueller gesellschaftlicher/staatlicher Normen. Der Schwere der Repression läßt sich anhand der eingesetzten Mittel (Zuckerbrot: Appelle, versprochene Belohnungen für Wohlverhalten; Peitsche: Strafrecht, berufliche Behinderungen und Ächtung für Zuwiderhandelnde) bemessen.
"Prüderie" ist eine der gesellschaftlichen Normen auf die sich die Repression bezog: Züchtig sein und sich den Mühen der Sexualität und Fortpflanzung nur widerwärtig aussetzen. Und vor allem: Nicht laut darüber reden.
Wie Ralf (@Rock‘nroll) richtigerweise anmerkt zeigte dieses rigide Moralbild schon in den 50ern Risse und begann sich ab dem nächsten Jahrzehnt sukzessive abzuschwächen.


ad El Q.: Hättens mich halt noch einen Satz länger zitiert, das Strafrecht folgt eh im Folgesatz ;-)
 
War das überall so, oder war das nur ein besonders prüdes Schwimmbad?
In der Nachkriegszeit gab es vielerorts nach Geschlecht getrennte Bereiche und auch getrennte Badeanstalten (Bsp. das Frauenbad in Zürich, siehe @ de. Wikipedia). Andererseits gab es große Nudistencamps sowohl in den USA (bspw. in New Jersey) wie auch in Europa (bspw. The Spielplatz nahe London{siehe @ en. Wikipedia}, wo auch Schönheitswettbewerbe abgehalten wurden), sodass von Prüderie keine Rede sein kann. Deutschland hinkte allerdings nach, 1956 aber wurde in der DDR das Nacktbaden an gekennzeichneten Stränden erlaubt, was dort eine regelrechte Nacktkultur bewirkte. (siehe: »Aufstand der Nackten«, Der Spiegel, 2008)
 
Aus anderer Perspektive:
In den 80ern-90ern gab es in Saunabädern teilweise nach (den beiden biologischen) Geschlechtern getrennte Sauna/Badezeiten (z.B. dienstags und freitags von 10-16 Uhr nur Frauensauna) - wir kämen deswegen wohl nicht auf die Idee, die 80-90er als prüde zu bewerten.
 
Ich frage mich, ob es sich bei der Einrichtung, auf die sich die Anzeige im Eingangsbeitrag bezieht, wirklich um ein Schwimmbad gehandelt hat, wie wir es heute kennen oder nicht vielmehr um ein Volksbad. Diese Volksbäder wurden ab den Mitte des 19. Jahrhunderts eingerichtet, sie dienten nicht der körperlichen Ertüchtigung, sondern der Hygiene. Es standen Badewannen und Duschen zur Verfügung, denn die große Mehrheit der Bevölkerung verfügte über kein eigenes Badezimmer. Das war auch 1950 noch der Fall. Hier würde eine Trennung nach Geschlechtern durchaus Sinn ergeben, denn in die Badewanne steigt man ja nicht im Badeanzug.
Zur Prüderie der 1950er: Die offizielle Sexualmoral war außerordentlich prüde: Sex sollte nur in der Ehe stattfinden, alles andere war Unzucht. Gehandelt haben die Menschen danach aber nicht. Irgendwo habe ich gelesen, dass in den 50ern und frühen 60ern (also vor 'Einführung der Pille) etwa 40 % der Bräute auf dem Standesamt schwanger waren.
Der Kuppeleiparagraph ist meines #Wissens nicht erst 1977, sondern1972 abgeschafft worden, und Mitte der 1970er Jahre war es für ein unverheiratetes Paar kein Problem, gemeinsam eine Wohnung zu bekommen, jedenfalls hier im Ruhrgebiet.

LG Frederuna
 
Ich frage mich, ob es sich bei der Einrichtung, auf die sich die Anzeige im Eingangsbeitrag bezieht, wirklich um ein Schwimmbad gehandelt hat, wie wir es heute kennen oder nicht vielmehr um ein Volksbad. Diese Volksbäder wurden ab den Mitte des 19. Jahrhunderts eingerichtet, sie dienten nicht der körperlichen Ertüchtigung, sondern der Hygiene. Es standen Badewannen und Duschen zur Verfügung, denn die große Mehrheit der Bevölkerung verfügte über kein eigenes Badezimmer. Das war auch 1950 noch der Fall. Hier würde eine Trennung nach Geschlechtern durchaus Sinn ergeben, denn in die Badewanne steigt man ja nicht im Badeanzug.
Zur Prüderie der 1950er: Die offizielle Sexualmoral war außerordentlich prüde: Sex sollte nur in der Ehe stattfinden, alles andere war Unzucht. Gehandelt haben die Menschen danach aber nicht. Irgendwo habe ich gelesen, dass in den 50ern und frühen 60ern (also vor 'Einführung der Pille) etwa 40 % der Bräute auf dem Standesamt schwanger waren.
Der Kuppeleiparagraph ist meines #Wissens nicht erst 1977, sondern1972 abgeschafft worden, und Mitte der 1970er Jahre war es für ein unverheiratetes Paar kein Problem, gemeinsam eine Wohnung zu bekommen, jedenfalls hier im Ruhrgebiet.

LG Frederuna
Nein, es war kein Volksbad, es war das Stadtbad, das zur damaligen Zeit nur ein Schwimmbecken im Innenbereich und eines im Außenbereich hatten. Aber ich weiß, was du mit Volksbad meinst, das waren doch diese Badehäuser, wo die Menschen hingingen, um ein Bad zu nehmen, weil viele damals noch kein eigenes Bad hatten. Vom selben Bad gibt es ein Foto etwa von 1965, da sieht man aber dann Männer und Frauen gemeinsam baden, also muss irgendwann zwischen den frühen 1950ern bis Mitte der 1960er eine Loslösung der Gesellschaft von der Prüderie stattgefunden haben. Das mit den Bräuten kann ich nur bestätigen aus der eigenen Verwandtschaft, da wurde dann noch schnell geheiratet, bevor man den Bauch sah, das wurde damals wohl wirklich häufiger so gemacht.
 
Ich frage mich, ob es sich bei der Einrichtung, auf die sich die Anzeige im Eingangsbeitrag bezieht, wirklich um ein Schwimmbad gehandelt hat, wie wir es heute kennen oder nicht vielmehr um ein Volksbad. Diese Volksbäder wurden ab den Mitte des 19. Jahrhunderts eingerichtet, sie dienten nicht der körperlichen Ertüchtigung, sondern der Hygiene. Es standen Badewannen und Duschen zur Verfügung, denn die große Mehrheit der Bevölkerung verfügte über kein eigenes Badezimmer. Das war auch 1950 noch der Fall. Hier würde eine Trennung nach Geschlechtern durchaus Sinn ergeben, denn in die Badewanne steigt man ja nicht im Badeanzug.
In den muslimischen Ländern gibt es ja die Einrichtung des Ḥammām (arab./fars.; türk. hamam), diese Einrichtungen dienen der Hygiene, aber auch sozialer Zusammenkünfte und u.a. auch der Brautschau (Sohn sagt Mutter, "Ich will heiraten, organisier mir mal was" oder "Mama, schau mal die Laylah bint Aḥmad gefällt mir, nimm doch mal Kontakt zu ihr auf" und dann geht Muttern in den Ḥammām und geht auf Brautschau bzw. nimmt die Angebetete ihres Sohnes unter die Lupe), da gibt es eben auch Männer- und Frauenzeiten. Ich war vor 22 Jahren mal in Aleppo in einem solchen Ḥammām, war eine interessante Erfahrung. Allerdings vermute ich, dass das Gebäude im Bürgerkrieg zerstört wurde, Aleppo ist ja hart betroffen gewesen.

Zur Prüderie der 1950er: Die offizielle Sexualmoral war außerordentlich prüde: Sex sollte nur in der Ehe stattfinden, alles andere war Unzucht. Gehandelt haben die Menschen danach aber nicht. Irgendwo habe ich gelesen, dass in den 50ern und frühen 60ern (also vor 'Einführung der Pille) etwa 40 % der Bräute auf dem Standesamt schwanger waren.
Meine Großeltern haben 1933 geheiratet, mein Onkel wurde 1933 geboren. Pikant: Mein Urgroßvater war Schulleiter an einer katholischen Schule (und so etwas wie ein Pfarrgemeinderatsvorsitzender), mein Großvater Lehrer an einer protestantischen Schule. Witzigerweise, obwohl die Protestanten ja eigentlich eher mit den Nazis sympathisierten als die Katholiken, war es eben dieser Großvater, der sich in keine der NS-Organisationen einbinden ließ, wohingegen sein katholischer Schwager (mein Großonkel) Parteimitglied war (ich weiß aber nicht, ab wann).

Der Kuppeleiparagraph ist meines Wissens nicht erst 1977, sondern1972 abgeschafft worden,
Ich hab's jetzt nicht geprüft gehabt. Danke für die Korrektur.
 
Wer behauptet, 1950er Jahren wären nicht prüde, der sollte sich bitte besser informieren, bevor er solche Statements schreibt.

Günther Grass z.B. sollte laut Jury für seinen Roman "Blechtrommel" den Literaturpreis der Stadt Bremen bekommen, aber die damalige Jugendsenatorin war dagegen: Sie meinte, das Buch gehöre auf den Index der jugendgefährden Bücher und könne den Preis nicht bekommen; der Preis wurde in dem Jahr nicht vergeben.

Der Film "Die Sünderin", erhielt von der FSK zuerst keine Jugendfreigabe, dann doch, aber die Vertreter der beiden Kirchen traten aus Protest aus der FSK zurück. Sodann wurde es zum Boykott aufgerufen – lest selbst, was für ein Zirkus da veranstaltet wurde: Die Sünderin – Wikipedia

Auch der Film „Manche mögen’s heiß“ (1959) wurde auf den Index gesetzt bzw. für erst ab 18 freigegeben, durfte aber an Feiertagen nicht gezeigt werden. Zitat aus der Wikipedia:

Zitat aus der Begründung: „Der Film hat allein schon durch seine ‚Beweglichkeit‘ unsittliche Möglichkeiten, die keinem anderen Unterhaltungsmedium zur Verfügung stehen. Als deutliches Beispiel kann ich gerade Manche mögen’s heiß anführen, wo in einer Szene die reizende Marilyn einfach durch ihr Auf- und Niedertauchen im Scheinwerferlicht entkleidet und angezogen und wieder entkleidet wird.“[44] Indiziert wurden darüber hinaus auch Titel, deren Moral- oder Gewaltdarstellung aus Sicht der Indizierenden fragwürdig war.

Weil hier schon die FKK erwähnt wurde, noch ein Wort dazu. Die FKK-Bewegung hatte in der Weimarer Republik zuletzt 150.000 organisierte Mitglieder, doch die Nazis haben diese Vereine alle geschlossen und später teilweise FKK wieder erlaubt, allerdings nur für Arier. In den 1950er Jahren haben sich die Ostdeutschen eine Freigabe der FKK erkämpft, in der Bundesrepublik aber gestaltete sich die Wiedergeburt schwieriger. Ich glaube nicht, dass ich explizit sagen muss, warum, schließlich sagen die obigen Beispiele schon genug, wer in jener Zeit gegen die Nacktheit war. ;)

PS: FSK und die Prüfstelle für jugendgefährdenden Schriften urteilten damals wie heute im Geist der Zeit.
 
Günther Grass z.B. sollte laut Jury für seinen Roman "Blechtrommel" den Literaturpreis der Stadt Bremen bekommen, aber die damalige Jugendsenatorin war dagegen: Sie meinte, das Buch gehöre auf den Index der jugendgefährden Bücher und könne den Preis nicht bekommen; der Preis wurde in dem Jahr nicht vergeben.
In den 50ern erhielt Grass den Preis der Gruppe 47
 
In beengter Nachbarschaft, der Wohnungsnot der 1950er Jahre, in hellhörigen Wohnungen, in kleinbürgerlich-repressiven Verhältnissen, war die soziale Kontrolle groß.
Auf der anderen Seite dürften die hellhörigen Wohnungen allerdings auch dafür gesorgt haben, das die halbe direkte Nachbarschaft recht gut darüber unterrichtet war, was im eigenen Schlafzimmer so passierte.

An der Stelle könnte man ketzerisch fragen, ob unter diesen Umständen eine Vermeidung dieser Themen überhaupt möglich war.
Sicherlich sprach man nicht unbedingt darüber, andererseits wozu hätte man darüber sprechen sollen, wenn die Nachbarn ohnehin im Bilde waren und umgekehrt?

Wer behauptet, 1950er Jahren wären nicht prüde, der sollte sich bitte besser informieren
Genau, informiert euch mal!

Steht alles im "Malleus Ecclesiarum", dem historiographischen Hauptwerk von einem gewissen "Reverend Dino".

Dort steht nämlich, dass wer in den 1950er Jahren nicht prüde genug war (Tragen einer vollverschweißten Plattenrüstung in der Öffentlichkeit, damit keine Haut zu sehen war und Körperkontakt allenfalls mit FFP3-Maske und 1,5 m Mindestabstand zu einander, wegen der Gefahr der Infektion mit einer mutierten Variante sittlicher Malatie) sofort Gefahr lief, zur Strafe von Don Camillo mit Tischplatten beworfen und auf dem Scheiterhaufen verbrannt zu werden)

Außerdem steht dort, dass wer dies infrage stellt in die Hölle kommt und dann dort gezwungen wird sich die Ewigkeit lang Dauerwerbesendungen aus den 1990er Jahren anzusehen, bis der Verstand unter dieser Tortur zusammen bricht und man in der Verzweiflung posthum in die Oblate beißt.

Deswegen sollten wir Dions Rat folgen, die Weißheiten von Reverend Dino nicht mehr anzweifeln und uns dieser Diskussion so schnell als möglich enthalten.:p
 
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